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Nicht auffallen

Lesebuch über Menschen ohne Papiere
Sigrid Becker-Wirth

Vierzehn Jahre leben die Eltern der Familie Zapato* schon in Bonn. Sie haben eine kleine Wohnung, gehen regelmäßig zur Arbeit, bezahlen ihre Miete, haben keine Schulden und schicken die dreizehn Jahre alte Tochter zur Schule. Auf den ersten Blick eine gut integrierte Migrantenfamilie aus Ecuador. Aber nur auf den ersten Blick, denn die Zapatos haben keinen Aufenthaltsstatus, es fehlen ihnen die notwendigen Papiere.

Kim* aus Vietnam lebt seit über zehn Jahren in Deutschland. Sie spricht akzentfrei deutsch, steht kurz vor dem Abitur, möchte Jura studieren. Sie fährt nie ohne Fahrschein und verlässt eine Party, wenn es laut wird. Musterbeispiel, wie sich deutsche Bürger die Jugend wünschen? Nein, denn dieses junge Mädchen hat keinen Aufenthaltsstatus, keine Papiere, darf sich nach dem Gesetz nicht in Deutschland aufhalten. Ebenso wie Justine aus Burkina Faso, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Aus Angst verlässt sie ihre Wohnung kaum noch und geht mit ihren beiden kleinen Kindern nirgendwo mehr hin.

Siegfried Pater hat 21 wahre Berichte zusammengetragen und anonymisiert. Geschichten, in denen Menschen ohne die gültigen Papiere von ihrem Leben in der Illegalität berichten. Geschichten von Lohnbetrug, Erniedrigung, Vergewaltigung. Geschichten von Menschen, die nicht in Deutschland sein dürfen, die sich allein durch ihr Hiersein strafbar machen. Menschen ohne einforderbare Rechte und ohne jeden Schutz. Die Behörden nennen sie diskriminierend „Illegale“. Es sind rund eine Million in Deutschland, im Bonner Raum allein etwa 4000 Menschen aus allen Teilen der Erde.

Das Buch gibt einen anschaulichen Einblick in die Welt der Menschen, die mitten unter uns im Schatten leben und arbeiten. Von ihren Ängsten, Schwierigkeiten und Hoffnungen wird in der Öffentlichkeit so gut wie nichts wahrgenommen, denn die erste Regel für Menschen ohne Papiere lautet: Nicht auffallen! Paters Buch sensibilisiert, informiert und ist ein engagiertes Plädoyer „gegen die regierungspolitisch praktizierte Nichtwahrnehmung“ dieser Menschen.

Die Berichte werden ergänzt durch die Darstellung der unmenschlichen gesetzlichen Lage in Deutschland, den Möglichkeiten der Legalisierung in anderen europäischen Ländern und Berichten von Aktionen und Kampagnen, in denen Lösungen gefordert werden. Ausgewählte Berichte und Informationen sind gut geeignet für den Einsatz in der Schule und in der Erwachsenenbildung. Durch den Literatur- und Anschriftenanhang kann das Buch auch als handlungsorientierter Ratgeber genutzt werden.

* Name geändert

Siegfried Pater: Menschen ohne Papiere, RETAP-Verlag, Bonn 2005, 136 Seiten