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Unter der Lupe

Der Gleichstellungsplan von Bogotá

Sicherlich sind im Frauen- und Gender-Büro im Rathaus von Bogotá qualifizierte und engagierte Frauen am Werk, für die Beseitigung von Diskriminierung und Chancengleichheit nicht nur schöne Worte, sondern ernsthafte politische Anliegen sind. Frauen unterschiedlicher Gruppen haben sich an der Erarbeitung eines Gleichstellungsplans für Bogotá beteiligt. Reicht das als Hebel aus, um die soziale Benachteiligung von Frauen abzubauen? Unsere Autorin setzt sich mit den formulierten Zielen der Frauen- und Gender-Politik und den Möglichkeiten der Umsetzung auseinander, insbesondere was die wirtschaftlichen Rechte von Frauen angeht.

Laura Rangel Fonseca

Als Luis Eduardo Garzón im Januar 2004 als Bürgermeister von Bogotá antrat, hatten die Frauen und die sozialen Bewegungen hohe Erwartungen, dass unter seiner Führung strukturelle Veränderungen in Wirtschaft und Politik angestoßen würden. Das Frauen- und Gender-Büro des Rathauses, geleitet von Juanita Barreto, führte einen Konsultationsprozess mit Frauen unterschiedlicher Gruppen durch, um einen Gleichstellungsplan zu entwerfen. Dessen Ziel ist es, „bei der Anerkennung, Garantie und Wiedereinsetzung der Menschenrechte von Frauen aller Altersstufen, Kulturen, sexueller Orientierung, ethnischer Konditionen, von Frauen, die aus Gründen ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation oder als Binnenflüchtlinge in einer besonders verletzbaren Lage sind (...), voranzukommen, mit dem Ziel, Chancen- und Gender-Gleichheit zu schaffen. Dies soll durch das Einbeziehen bestärkender Aktionen in den Politiken, Plänen, Programmen und Projekten des Hauptstadt-Distrikts erfolgen.“

Als Ergebnis des Beratungsprozesses wurden sechs vorrangige Rechte definiert, die „für die öffentlichen Einrichtungen des Hauptstadt-Distrikts verbindlich sind und einer geteilten gesellschaftlichen Verantwortung gehorchen“: das Recht auf ein Leben ohne Gewalt, das Recht auf Partizipation und Repräsentation, das Recht auf Arbeit in Konditionen von Gleichheit und Würde, das Recht auf volle Gesundheit, das Recht auf Erziehung mit Chancengleichheit und das Recht auf eine Kultur, die frei von Sexismus ist. Das Recht auf Arbeit in Konditionen von Gleichheit und Würde strebt die „volle Ausübung der wirtschaftlichen Rechte und die Anerkennung des Beitrags zum wirtschaftlichen Leben der Stadt“ an. Diese sollen mittels spezifischer Ziele erreicht werden. 

Die formulierten Ziele wollen wir hier unter die Lupe nehmen.

• Qualifizierung durch Bildungs- und Ausbildungsprogramme: Der Arbeitsmarkt stellt für Frauen vorwiegend Beschäftigung im Dienstleistungs- und Handelssektor bereit. Qualifizierung ist ein dringliches Unterfangen, damit Frauen nicht weiter die unerschöpfliche Quelle schlecht ausgebildeter und deshalb „billiger“ Arbeitskraft bleiben. Dies erfordert von der öffentlichen Hand, den produktiven Sektor der Hauptstadt zu analysieren und die Felder abzustecken, in denen die bezeichneten bestärkenden Qualifizierungsmaßnahmen erfolgen sollen. Bekanntlich werden die wirtschaftlichen Binnenaktivitäten vom Kontext des internationalen Handels bestimmt. Dieser zeigt gegenwärtig keine Möglichkeiten für Frauen auf, in Sektoren unterzukommen, die auf höchstem technologischem Niveau arbeiten. Also hat die gestellte Aufgabe weitergehende Implikationen, sie muss mit den makroökonomischen Politiken Kolumbiens artikuliert und harmonisiert werden. 

• Stärkung von Initiativen mit Anspruch von Gleichstellung und Nachhaltigkeit: Um welche Initiativen handelt es sich dabei? Die von Unternehmen, indem sie Frauen anstellen? Die von Frauen als Kleinunternehmerinnen? Es geht dabei um ein spezifisches, aber sehr breit und undifferenziert formuliertes Ziel, das weder seinen Inhalt offenlegt noch definiert, wer an der Umsetzung beteiligt wird.

• Förderung des Zusammenschlusses und der Entwicklung von Gruppen und Netzwerken von Produzentinnen: Um die Chancen der kleinen und von Frauen geleiteten Produktionseinheiten auf dem lokalen Markt zu verbessern, sind Initiativen, sich zusammenzuschließen, notwendig und wünschenswert. Die Beziehungen zwischen dem formellen Beschäftigungssektor und den Formen des solidarischen Sektors – wie die sog. Genossenschaften assoziierter Arbeit1 – werden immer enger. (Bezieht sich auf die auch bei uns gängigen Praktiken von Outsourcing und die Verlagerung von Arbeit auf den ungeschützten informellen Sektor – d. Red.) Vorrangig für die öffentliche Hand müsste Überwachung und Kontrolle sein, damit die Produzentinnen-Organisationen und -Netzwerke nicht zu einer Strategie werden, die zu noch mehr Informalisierung der Arbeit führt. Die Rathauspolitik sollte sich außerdem dem formellen Beschäftigungssektor zuwenden, um dort das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung von Frauen als fundamentales Element beim Aufbau von Demokratie zu fördern.

• Anerkennung des Beitrags der Pflegewirtschaft für die Stadt (Economía del cuidado, Pflegewirtschaft, wird hier als die Bereitstellung der notwendigen Dienstleistungen für die gesellschaftliche Reproduktion verstanden. Diese Dienste werden durch eine pflegende Funktion charakterisiert, was bei der Existenz von abhängigen Personen wie Kinder, ältere und kranke Menschen besonders wichtig ist. – Anm. d. Red.): Wie soll das aussehen? Auf nationaler Ebene wird immer noch nicht der ökonomische Wert der Reproduktionsarbeit von Frauen anerkannt. Schlimmer, 2004 hat der Finanzminister vorgeschlagen, dass im Zuge der Gleichstellung die Frauen im selben Alter wie die Männer in Ruhestand gehen sollen (Vorschlag: beide 62 Jahre; aber nur 20 Prozent der Bevölkerung im Rentenalter bekommen überhaupt Bezüge – d. Red.) Das frühere Pensionsalter von Frauen ist ein Ausgleich für deren Doppel- und Dreifachbelastung. Was nun die Stadt betrifft, so müsste sie einerseits den Beitrag der Frauen für die gesellschaftliche Reproduktion quantifizieren. Andererseits müsste sie ihnen die Hand reichen, damit die Familienarbeit nicht (weiter) die private Verantwortung jeder Frau ist, sondern als gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen wird. Konkret: mehr Krippen und Kindergärten, längere Behandlungszeiten in medizinischen Einrichtungen, Garantien für die Rechte von schwangeren Arbeitnehmerinnen, mehr Institutionen für SeniorInnen. Anders gesagt, es geht um eine Politik, die konträr zu der ist, den Staat zu verkleinern. Ist die Stadt dafür gewappnet?

 Kenntnisnahme und Erfüllen der internationalen und nationalen Normen in Bezug auf ökonomische Rechte:  Dieses Ziel versteht sich von selbst, es ist obligatorisch. Das Rathaus muss sich also sputen, seine Verpflichtungen diesbezüglich zu erfüllen. Es ist von Interesse, Ziele und Indikatoren dafür zu überprüfen. 

• Diskriminierung im wirtschaftlichen Bereich und im Bereich Arbeit sichtbar machen und abbauen: Es ist davon auszugehen, dass das Rathaus Belege für Diskriminierung zusammenträgt und damit teilweise dieses Ziel erfüllt. Die Beseitigung von Diskriminierung erfordert harte Arbeit mit dem Produktionssektor der Hauptstadt, damit eine andere Bewertung von Frauen in ihrer Eigenschaft als Bürgerinnen und als Rechtssubjekte erfolgt. 

Dass sich das Rathaus einer öffentlichen Politik annähert, die die Frauen berücksichtigt, ist positiv. Mag sein, dass der Prozess daran scheitert, strategische Aktionen zu entwerfen, weil er gerade erst begonnen hat. Dahingegen wird die Formulierung von Zielen betont, die fast wie Grundsatzerklärungen klingen. Das macht die Politik diffus und nimmt ihr Kraft. Sie erkennt die Beschränkungen nicht an, die ihr bei der politisch-administrativen Ausübung des Bürgermeisteramtes in Bezug auf Zeit und Kompetenzen vorgegeben sind. Die Amtszeit von „Lucho“ Garzón endet am 31. Dezember 2007 und entscheidende Aspekte werden auf nationaler Ebene (Ministerien, Präsident, Kongress) definiert. Ein Beispiel dafür ist die letzte Arbeitsreform, Gesetz 789 von 2002. Es müsste dringend außer Kraft gesetzt werden, da es überdurchschnittlich hart die Frauen trifft, ihr Einkommen mindert und sie unter Druck setzt, mehr, aber für weniger Geld zu arbeiten. Dies hat eine drastische Auswirkung auf ihre Lebensqualität. Führt das Rathaus Aktionen durch, die zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen führen?

Auf theoretischer Ebene wurden Fortschritte erzielt und die Existenz von zwei Ökonomien, einer des Marktes und einer anderen der Pflege, anerkannt. Überlegt man sich, welche Veränderungen für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen notwendig sind, ist diese Differenzierung fundamental. Die Frauenpolitikerin Cecilia López Montaño sagt, dass sich die Probleme und Bedürfnisse von Frauen nicht mit Sozialpolitik, sondern nur durch makroökonomische Politiken lösen lassen. Eine öffentliche Politik, die Gleichstellung anstrebt, muss sich notgedrungen mit dem Entwicklungsmodell, der Gesetzgebung und dem Wirtschaftsmanagement in Bezug auf die nationale Produktion wie die Anbindung an den internationalen Handel auseinandersetzen. Welche Aktionen kann die Stadt in Anbetracht der Unterzeichnung des bilateralen Freihandelsvertrags zwischen Kolumbien und den USA entwickeln? Wäre eine städtische Politik oder entsprechende Maßnahmen für die US-Investoren verpflichtend?

Der wichtigste Gewinn mit dem Gleichstellungsplan ist der Partizipationsprozess. Die Frauen wurden bei der Analyse und der Entwicklung von Vorschlägen für die Transformation ihrer Realitäten einbezogen. Von den Risiken nennen wir zwei: Dass die Frauen nicht mehr die strukturellen Probleme im Blick haben, da sie davon ausgingen, dass das Rathaus sie durch die Politik der öffentlichen Hand überwinden könnte. Und die Ernüchterung, wenn die vorgegebenen Ziele nicht erreicht werden. Dies ist sehr wahrscheinlich, da die Ziele sehr ambitiös und generell formuliert sind. 

Als Frauen müssen wir uns selbst mehr Wert beimessen und uns fit machen, um eine politische und ökonomische Agenda zu entwickeln, die unsere strategischen Probleme anpackt. Wir müssen auf allen Ebenen der Macht und aus einer Führungsposition heraus Debatten anfachen: bei der Stadt, dem Kongress, der Regierung, den Gerichten. Sonst hat uns die öffentliche Hand zwar weiter gut im Blick, unsere Rechte vermehren sich dabei aber nicht.
 

  • 1. Die cooperativas de trabajo asociado sind formal gesehen keine gewinnorientierten Genossenschaften. Sie unterliegen nicht den Bestimmungen des Arbeitsrechts und werden z.B. im Gesundheitssektor im Rahmen der Beschäftigungsflexibilisierung eingesetzt. – Anm. d. Red.

Laura Rangel F., Juristin, befasst sich mit der arbeitsrechtlichen und Beschäftigungssituation von Frauen. Übersetzung: Bettina Reis