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Der Kampf um das Wasser

Bundestreffen der El Salvador-Solidarität in Leipzig

Vom 20. bis 22. Oktober 2006 fand im Leipziger Missionswerk das diesjährige Treffen der El-Salvador-Solidaritätsgruppen statt. Etwa 50 Leute aus dem gesamten deutschsprachigen Raum verbrachten zwei Tage mit Vorträgen und Diskussionen zur allgemeinen Lage, aber vor allem zur Wasserproblematik in dem mittelamerikanischen Land. Eingeladen waren dazu aus El Salvador Wilfredo Romero, Gewerkschaftsvorsitzender der ArbeiterInnen des staatlichen Wasserversorgers ANDA, sowie Luis Alonso Rivera, einer der KoordinatorInnen des Widerstands gegen das geplante Wasserkraftwerk El Chaparral.

Ulrike Purrer Guardado

Der salvadorianische Bürgerkrieg wurde 1992 mit den Friedensverträgen zwischen Oligarchie und Guerilla offiziell beendet. Doch der damit eingeleitete Friedensprozess blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die mit dem Kaffee groß gewordene Bourgeoisie kontrolliert nach wie vor die Wirtschaft des Landes. Die höchste Gewaltrate in Lateinamerika, fehlende Bildung und Gesundheitsversorgung, Mangelernährung und eine erdrückend hohe Arbeitslosigkeit treiben täglich hunderte von SalvadorianerInnen in die Migration. Heute lebt ein Viertel der salvadorianischen Bevölkerung (zumeist illegal) in den USA. Die rechtskonservative Regierungspartei ARENA ignoriert die Nöte weiter Bevölkerungsteile und setzt noch immer auf einen neoliberalen Wirtschaftskurs. Trotz massiven Widerstands wurden im vergangenen Jahr die Freihandelsverträge mit den USA unterzeichnet. Nach der Privatisierung des Strom- und Telefonnetzes sowie der Teilprivatisierung des Gesundheitssystems steht nun auch die Privatisierung der Wasserversorgung auf der Agenda von Präsident Saca. Was das konkret für die Menschen bedeutet, machten die beiden Gäste aus El Salvador deutlich.

Wilfredo Romero, Gewerkschaftsführer der staatlichen Wasserwerke ANDA, erklärte, dass nur 59 Prozent der SalvadorianerInnen Zugang zu fließendem Wasser hätten, auf dem Land sogar nur 27 Prozent. Als mit Wasser versorgt gelten laut dieser Statistik auch diejenigen, die an einer zentralen Pumpe außerhalb des eigenen Hauses Wasser bekommen. Die Wasserqualität ist mangelhaft. Während in Deutschland selbst das Wasser der Toilettenspülung Trinkwasserqualität besitzt, haben in El Salvador etwa drei Viertel des Wassers einen so hohen Anteil an Colibakterien und anderen gesundheitsschädlichen Substanzen, dass es eigentlich nicht als Trinkwasser verwendet werden kann. Der Regierung käme dieser Zustand durchaus gelegen, erläuterte Romero. Sie ließe die öffentlichen Wasserwerke bewusst in die Ineffizienz laufen, um Unzufriedenheit unter der Bevölkerung zu verbreiten. Der wird als einzige Möglichkeit zur Verbesserung der Wasserversorgung die längst angestrebte Privatisierung präsentiert. Dafür stehen Unternehmer aus dem Regierungslager bereit.

Die Gewerkschaft ist der Überzeugung, dass der Zugang zu Wasser ein Grundrecht ist. Wilfredo Romero und seine KollegInnen klären die Bevölkerung über die Privatisierungsstrategie auf und unterstützen die Gemeinden dabei, sich in Zusammenarbeit mit ANDA zu organisieren, um die Wasserversorgung zu verbessern und somit nicht auf die Regierung angewiesen zu sein. Im Gespräch mit dem Bauernvertreter Luis Alonso Rivera wurde klar, dass es bei der Wasserprivatisierung nicht nur um das bisher von ANDA verwaltete Wasser geht, sondern um alle Flüsse und Wasserreserven des Landes. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass die verarmten Kleinbauern sogar dafür zur Kasse gebeten werden können, dass sie ihre Kühe zum Trinken an den nächsten Fluss führen. Rivera lebt wie schon sein Vater und Großvater in einem Tal im Norden des Landes. Seine Familie arbeitet in der Landwirtschaft, die zwar kaum Geld einbringt, sie jedoch mehr oder weniger mit Nahrung versorgt. Er berichtete als Vertreter seiner Gemeinde San Antonio del Mosco über das Staudammprojekt El Chaparral, das ihm und mehreren tausend Menschen die Lebensgrundlage entziehen würde. Der Konzern CEL will den Torola, der einige Kilometer weiter zum Grenzfluss mit Honduras wird, aufstauen und das Tal überschwemmen. Vertreter des Unternehmens setzen die lokale Bevölkerung unter Druck, die Region freiwillig zu verlassen. Doch Rivera und die anderen Dorfbewohner wollen ihr Leben dort nicht aufgeben. Wo und wovon sollten sie dann leben? Nur die wenigsten Bauern verfügen über die nötigen Papiere, die den bescheidenen Besitz legal als den ihren nachweisen können. Den TeilnehmerInnen des Bundestreffens wurde deutlich, wie nicht nur im Falle des Staudammprojekts zwei Welten aufeinander prallen: die armen Campesinos, denen keinerlei legale oder finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um sich gegen die Vertreibung zur Wehr zu setzen, und auf der anderen Seite Großkonzerne wie CEL, deren Projekte sogar noch durch so genannte Entwicklungshilfe mitfinanziert werden.

Am letzten Tag wurden in Leipzig konkrete Handlungsoptionen diskutiert. Angedacht sind Anzeigen in der salvadorianischen Presse, in denen sich die Solidaritätsgruppen gegen die Wasserprivatisierung und das Staudammprojekt aussprechen. Außerdem sollen Delegationen El Salvador besuchen und kritische Präsenz zeigen. Bereits in der Vergangenheit hat sich diese Art des Drucks auf die Regierung in zahlreichen Fällen als wirkungsvoll erwiesen. Schließlich soll die Arbeit von Luis Alonso Rivera und Wilfredo Romero auch finanziell unterstützt werden. Beide waren nach dem Bundestreffen noch zwei Wochen im deutschsprachigen Raum unterwegs, um in verschiedenen Städten über ihr Anliegen zu berichten. Dabei hatte die ila Gelegenheit zu Interviews, die voraussichtlich in der nächsten Ausgabe erscheinen werden.

Ulrike Purrer Guardado ist Mitglied der Mittelamerika Initiative Leipzig e.V. Für mehr Informationen steht die Mittelamerika Initiative Leipzig e.V. gern zur Verfügung unter www.mil-leipzig.de oder telefonisch unter 0341/391 86 30