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Von guten und bösen Drogen

Ein neuer Jamaika-Krimi von Peter-Paul Zahl
Gert Eisenbürger

Die Drogenpolitik der verschiedenen US-Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten gab stets vor, dem Schutz der Jugend ihres Landes vor den Gefahren des Drogenmissbrauchs zu dienen, und ist deshalb bei der überwältigenden Mehrheit der US-BürgerInnen populär. Je mehr Härte einE wahlkämpfendeR PolitikerIn gegen DealerInnen und ProduzentInnen verkündet, umso mehr Wählerstimmen kann er/sie in den meisten Fällen damit gewinnen. Dies scheint auch weiterhin zu gelten, obwohl immer wieder von neuem belegt wurde, wie die US-Außenpolitik selbst in den Drogenhandel involviert war, etwa um die antisowjetischen Islam-Fundamentalisten in Afghanistan zu unterstützen oder die Finanzierung der antisandinistischen Contras in Nicaragua zu organisieren. Genauso wurde nachgewiesen, dass für den Anti-Drogen-Kampf bestimmte Gelder eingesetzt wurden, um revolutionäre Bewegungen zu bekämpfen, Regierungen in Lateinamerika auf US-Linie zu bringen oder, wie im Schwerpunkt dieser ila gezeigt, die Interessen von US-Ölkonzernen in Ecuador zu schützen. Gleichzeitig hat insbesondere die Regierung von Ronald Reagan die Hilfsangebote für Drogenabhängige in den USA massiv abgebaut und damit viele UserInnen, die mit medizinischer Betreuung, Substitutionsangeboten oder Therapien vielleicht eine Chance gehabt hätten, sich selbst überlassen und viele damit in den Tod geschickt.

Obwohl dies alles bekannt ist, geht das zynische Spiel munter weiter. Die von den USA weltweit eingeforderte Prohibitionspolitik stärkt allenthalben extrem gewalttätige mafiöse Strukturen, garantiert einen hohen Preis für die Ware Droge, wovon vor allem die internationalen Banken profitieren, die das „schmutzige Geld“ in normale kapitalistische Bahnen lenken, und bietet einen Vorwand für die militärische Präsenz von US-Spezialeinheiten in zahlreichen Staaten vor allem Lateinamerikas und der Karibik.

Die Drogenpolitik der Vereinigten Staaten und die Interessen, die ihr zugrunde liegen, sind das Thema des jüngst in der Edition Köln erschienenen Romans „Miss Mary Huana“ des in Jamaica lebenden Autors Peter-Paul Zahl, eine aktualisierte Neuauflage seines 1995 im Verlag „Das neue Berlin“ erschienenen Buchs „Die Teufelsdroge Cannabis“. Wer bereits andere Jamaika-Krimis Zahls gelesen hat, wird alte Bekannte wiedertreffen, den anarchistischen Privatdetektiv und Ex-Bullen Aubrey „Ruffneck“ Fraser, seine toughe Erstfrau Valerie und schließlich Prento, einen staatsstreuen, aber sauberen, das heißt nicht korrupten Kriminalpolizisten. Sie untersuchen diesmal einen brutalen Mord an einigen DorfbewohnerInnen, die einem Drogenkartell in die Quere kamen, weil sie bei einem Transport verlorengegangenes Kokain gefunden und eingesteckt hatten.

Die Ermittlungen führen die ErmittlerInnen in den ländlichen Osten und Norden der Insel. Die LeserInnen erfahren viel über das Alltagsleben in dieser postkolonialen Gesellschaft in der Karibik, mit ihren Alltagsritualen und Kommunikationsformen, den versoffenen Männern und starken, selbstbewussten Frauen oder den Anstrengungen der Leute, trotz des Versagens des Staates die öffentliche Infrastruktur aufrechtzuerhalten, indem sie etwa durch die Organisation eines Dorffestes das nötige Geld zur Finanzierung der örtlichen Schule auftreiben. Doch in dieses vermeintlich friedliche Landleben bricht immer häufiger die Gewalt der gunmen aus der Hauptstadt Kingston ein. Diese bewaffneten Gruppen, die einst als „Ordnungsdienste“ der beiden dominierenden politischen Parteien PNP (vorgeblich sozialdemokratisch) und JLP (vorgeblich konservativ) entstanden waren, sind längst zu Mafiaorganisationen geworden, die den Drogenhandel auf und von der Insel kontrollieren. Dennoch genießen sie weiterhin in den meisten Fällen die Protektion der Politik und der Sicherheitskräfte, wofür sie sich finanziell erkenntlich zeigen.

Wenn von Drogen die Rede ist, ist Kokain und Crack gemeint, wobei vor allem letzteres katastrophale Auswirkungen für die sozialen Beziehungen auf der Insel hat und maßgeblich für die Zunahme der Gewaltkriminalität verantwortlich ist. Eine andere Droge bringt nach Ansicht des Autors dagegen nur Segen, auch wenn Jamaikas Regierung und die US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA das Gegenteil behaupten: Ganja, das hierzulande Cannabis oder Marihuana genannt wird. Für die gläubigen Rastafarians ist das Rauchen von Ganja Teil ihrer religiösen Praxis, für viele andere JamaikanerInnen ist es ein billiges und geschätztes Genussmittel, das entspannend wirkt und, davon ist zumindest der Autor überzeugt, die Libido stimuliert.

So kiffen und vögeln sich die ProtagonistInnen durch den Roman, dazwischen erklären Ruffneck und Valerie dem etwas zu gutgläubigen Polizisten Prento die Welt und vor allem die dunklen Machenschaften der US-Außenpolitik. Am Schluss des Romans sind ein besonders fieser Drogendealer und zwei brutale gunmen tot, zwei US-amerikanische DEA-Agenten von aufgebrachten Bauern als vermeintliche Viehdiebe verprügelt, und Ruffneck Fraser, der zunächst in seiner Mannesehre schwer gekränkt ist, weil sich Valerie hat sterilisieren lassen, findet auch noch die Zeit, eine schöne Rasta-Frau zu schwängern.

Peter-Paul Zahl: Miss Mary Huana, Edition Köln, 2007, 226 Seiten geb., 15,90 Euro