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Her mit dem guten Leben!

Wuppertaler Süd-Nord-Kolloquium: Eine Veranstaltungsreihe über den Abgesang des Neoliberalismus und Gegenentwürfe zur globalen Krise
Kristofer Lengert

Vor zwei Jahrzehnten schmiss der Staatssozialismus kaputt und ausgelaugt das Handtuch und eröffnete dem Neoliberalismus seinen weltweiten Triumph. Bald war jeder Winkel der Welt Teil des Marktes geworden, privatisiert und der kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen. Seiner Ideologie des „ewigen Wachstums“ musste sich alles andere unterordnen, soziale Gerechtigkeit genauso wie ökologische Nachhaltigkeit. Stets war es die selbe Leier: Es gibt keine Alternative. Wir müssen noch schneller, noch besser, noch stärker, noch billiger, noch erfolgreicher sein. Doch Erfolg kann nicht allein am Bruttoinlandprodukt gemessen werden. Andere Kategorien menschlicher Entwicklung und ökologischer Tragfähigkeit können nicht auf Dauer ausgeblendet werden. Unweigerlich manövrierte sich die Welt in eine universelle Krise. Wir erleben sie gegenwärtig als Finanz-, Wirtschafts-, Ernährungs-, Energie-, Umwelt- und Klimakrise gleichzeitig. Sei es die verzweifelte Suche nach Erdöl, die mit der havarierten Deepwater Horizon die größte Ölpest aller Zeiten verursachte, die Hungerkatastrophe in Ostafrika, das Finanzcasino und der drohende Staatsbankrott der EU-Länder oder die schmelzenden Gletscher und Polkappen: Alles deutet darauf hin, dass die Rechnung für ein neoliberales „Nur weiter so“ am Ende so teuer sein wird, dass wir sie nicht mehr begleichen können. Die Frage ist, ob es noch gelingt, eine gesellschaftlich tragbare Antwort auf die globale Krise und die Zerstörung der Welt zu formulieren. Welche Handlungsansätze haben wir überhaupt? Welche Alternativen können wir benennen? Welche Gegenentwürfe skizzieren? In der Veranstaltungsreihe des Wuppertaler Süd-Nord-Kolloquiums möchten wir mit euch gemeinsam Alternativen zur Globalen Krise diskutieren.

Vom Süden lernen...

In Bolivien und Ecuador ist es gelungen, mit dem Konzept des buen vivir den herrschenden (neoliberalen) Diskurs zu verdrängen und eigene Wirkmächtigkeit zu entfalten. Seine besondere Stärke: Dem Streben nach ewigem Wirtschaftswachstum und Anhäufung materieller Güter stellt es mit einem indigenen Wertesystem eine gesellschaftliche Idee für ein Leben in Demokratie, sozialer und politischer Gleichberechtigung und in Einklang mit der Natur entgegen. Jedoch weisen uns KritikerInnen wie die Ehthnologin Antoinette Molinie zurecht darauf hin, dass die Debatte um buen vivir keineswegs Ausdruck indigener Kultur als vielmehr eine westliche Interpretation derselben darstellt. Wir müssen kritisch danach fragen, wie wir – in den kolonialistisch und kapitalistisch geprägten Gesellschaften Europas – hierbei überhaupt relevante Impulse für unsere politische Praxis gewinnen können, ohne in eine Romantisierung indigener Lebenskonzepte zu verfallen. Ungewollt könnten überalterte Konzepte kultureller Differenz beflügelt werden. Wenn Indigene in ihrer mystischen Naturverbundenheit und dem Leben im Einklang mit dem Universum dargestellt werden, wird aus einer fortschrittlichen Idee schnell ein rückwartsgewandtes Klischee, das nicht zur Überwindung von Gegensätzen und Ungerechtigkeiten, sondern im Gegenteil zu deren Zementierung führt. 
Impulse für unsere politische Praxis...

Wir möchten vom Süden lernen. Das buen vivir formuliert eine Antwort auf die globale Krise und die Zerstörung der Welt und tut dies vor dem Hintergrund der lokalen bolivianischen indigenen Lebensrealitäten. Wir finden hier einen besonderen radikalen Ansatz vor und erkennen darin verschiedene Elemente unserer Gesellschaftskritik und unserer Handlungsansätze wieder. Hieraus zu lernen und Impulse für gesellschaftliche Veränderungsprozesse gewinnen zu können heißt aber für uns nicht, unterschiedliche Lebenswelten und Dogmen zu kopieren und zu romantisieren, sondern uns über verschiedene Konzepte auszutauschen und so die produktive Weiterentwicklung der eigenen politischen Praxis zu ermöglichen. Im Wuppertaler Süd-Nord-Kolloquium möchten wir Themen global denken und lokale Handlungsoptionen entwickeln. Es geht um greifbare und für uns relevante Praxisbeispiele aus Lateinamerika und Europa. Also diskutieren wir: über das Gute Leben, darüber, wie wir wirtschaften wollen, über sinnvolle, nachhaltige, gerechte Produktion und soziale Infrastruktur, darüber, wie wir Gesellschaft organisieren, über Gerechtigkeit und Selbstbestimmung, Solidarität und Kooperation, kollektive Prozesse, die Wiedergewinnung des öffentlichen Raumes und Demokratie in allen Bereichen!

Her mit dem guten Leben! 
Gegenentwürfe zur globalen Krise Wuppertaler Süd-Nord-Kolloquium
Eine Veranstaltungsreihe des Informationsbüros Nicaragua e.V.
Alle zwei Wochen vom 19.09. bis 15.12. 2011 
im Kommunikationszentrum börse in Wuppertal. 
Alle Infos – alle Termine unter: 
http://informationsbuero-nicaragua.org