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Konsequent an der Seite der Opfer

Abschied von Helmut Frenz (1933-2011)
Gert Eisenbürger

Im letzten Jahr veröffentlichte Helmut Frenz unter dem Titel „...und ich weiche nicht zurück“ die Erinnerungen über seine elf bewegten Lebensjahre in Chile. Darin berichtete er über die Zeit zwischen 1964 und 1975, in der er sich vom zunächst weitgehend unpolitischen Pfarrer einer deutschsprachigen lutherischen Kirchengemeinde zum engagierter Gegner der Pinochet-Diktatur und Verteidiger der Menschenrechte wandelte. Das Buch endete mit seiner Ausweisung aus Chile im Oktober 1975. Genaugenommen hatte ihm die Militärdiktatur nach einer Reise zu einer internationalen Kirchenkonferenz die Wiedereinreise nach Chile verweigert, was einer Ausweisung gleichkam. In meiner Besprechung dieser Autobiographie in der ila 345 hatte ich noch erwähnt, dass die Militärdiktatur ihn damit keineswegs zum Schweigen brachte. Im folgenden Jahr übernahm er das neu geschaffene Amt des Generalsekretärs der bundesdeutschen Sektion von amnesty international. Seine Stimme gegen die Verbrechen von Diktaturen und für die Verteidigung von deren Opfern wurde damit mehr denn je zur Kenntnis genommen.

Das lag nicht nur an seiner neuen Funktion, sondern vor allem daran, wie er diese ausübte. Gemeinsam mit einigen jüngeren Mitgliedern des Vorstands von amnesty international gab er Menschenrechtsorganisation ein deutlich politisches Profil. Das bedeutete, dass amnesty dezidierter als vorher die Verbindungen bundesdeutscher Stellen zu Unrechtsregimes thematisierte und deren Unterstützung etwa durch Waffenlieferungen kritisierte. Für Teile der politischen Rechten wurde Helmut damit zum roten Tuch. Man diffamierte ihn und versuchte ihm seine Glaubwürdigkeit abzusprechen. In Chile war er zwischen 1970 und 1975 der Bischof der kleinen lutherischen Kirche gewesen. Wenn Gruppen aus der Solidaritätsbewegung oder des chilenischen Exils seine Kritik an der Pinochet-Diktatur oder anderen Militärregimes zitierten, sprachen sie in ihrem Flugblätter gerne von Bischof Frenz, der dies oder jenes gesagt habe. Rechte Medien wie das CSU-Organ Bayernkurier warfen Helmut vor, er benutze zu Unrecht einen Bischofstitel, obwohl er seit seiner Ausweisung aus Chile kein Bischof mehr sei. Dabei hat er das nie getan. Dass Soligruppen ihn so nannten, um seinen Aussagen eine vermeintlich größere Autorität zu verleihen, konnte man ihm nun wirklich nicht vorwerfen.

Anfang 1982 besuchte Helmut Frenz zusammen mit den Theologen Norbert Greinacher und Bernd Päschke sowie der Journalistin Ulla Junk El Salvador, um sich über die Menschenrechtslage in dem mittelamerikanischen Land zu informieren. Was die Gruppe da in Gesprächen mit Angehörigen von Opfern und Überlebenden von Massakern der Streitkräfte erfuhr, schockierte sie, obwohl sie viele Fakten bereits vorher kannten. Aber direkt mit Leuten zu sprechen und zu hören, was ihnen oder ihren Kindern, PartnerInnen oder Geschwistern widerfahren war, hat eine andere Qualität. Nach ihrer Rückkehr veröffentlichten sie gemeinsam das rororo-Bändchen „El Salvador – Massaker im Namen der Freiheit“, das den Blick einer größeren Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum auf die Zustände in El Salvador lenkte. Eine ganze Reihe von Jugendlichen brachte die Lektüre dieses Buches dazu, sich in der Mittelamerika-solidaritätsarbeit zu engagieren.

Unvergessen bei allen, die dabei waren, ist der Auftritt von Helmut Frenz und Bernd Päschke am 20. März 1982 auf dem von der Solidaritätsbewegung organisierten „Kongress gegen die US-Intervention in Zentralamerika“ in Münster. In einem völlig überfüllten Hörsaal der Universität berichteten sie über die Erfahrungen ihrer Reise. Helmut erklärte, dass er seine bisher vertretene radikal-pazifistische Haltung nicht mehr aufrechterhalten könne: „Ich habe auch bei mir selber aufgrund meiner christlichen Erziehung und auch aufgrund meiner Theologie festgestellt, daß da immer im Hintergrund bei einem Verzicht auf Gewalt das Verlangen nach Schuldlosigkeit war. Nicht schuldig werden. Und daß ich nur eines gelernt habe, für mich persönlich, daß ich durch Verzicht auf Gewalt in Grenzsituationen nicht schuldlos bleibe.“ (ila-info 55, Mai 1982) Er plädierte für die Unterstützung derjenigen „die sich erheben, gegen den Unterdrücker“, warnte aber gleichzeitig davor „den Befreiungskrieg oder die Befreiungskräfte auf dieser Welt zu verherrlichen, diese Kriege sind furchtbar, sie sind entsetzlich, sie sind schrecklich. Auf keinen Fall darf man diese Kriege verherrlichen, sondern man muß alles tun, sie so schnell wie möglich zu beenden, aber nicht für einen faulen Frieden.“ (ebd.)

Helmut Frenz war ein streitbarer Kämpfer für die Menschenrechte, der konsequent an der Seite der Opfer stand. Den Verlautbarungen der Mächtigen misstraute er und solange nicht alle Zweifel ausgeräumt waren, stellte er die offizielle Version in Frage – in Lateinamerika ebenso wie in Europa.

Nach seinem Abschied bei amnesty 1985 arbeitete er in der kirchlichen Flüchtlingsarbeit in Norddeutschland, wo er sein Engagement auf anderer Ebene fortsetzte. In den letzten Jahren lebte er wieder zeitweilig in Chile, wo ihm die damalige Präsidentin Bachelet 2007 für sein Engagement gegen die Diktatur die Ehrenbürgerwürde verlieh. Helmut Frenz starb am 13. September 2011 im Alter von 78 Jahren in Hamburg.