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Ein Haufen antiimperialistischer Piraten

Der neue Roman „Die Rückkehr der Tiger von Malaysia“ des mexikanischen Autors Paco Ignacio Taibo II verleiht einer alten Piratensaga eine politische Note
Frederik Caselitz

Paco Ignacio Taibo II ist zweifelsohne eine der bedeutendsten Personen der gegenwärtigen Literaturszene von Mexiko. Nicht nur seine Biographien über Ché Guevara und Pancho Villa haben Maßstäbe gesetzt, sondern auch seine Krimis bestechen durch eine Verstrickung von realen Ereignissen und fiktiven Geschichten. Darüber hinaus schafft es Taibo, seinen Büchern immer auch eine politische und sozialkritische Note zu geben. Mit seinem neuesten Werk „Die Rückkehr der Tiger von Malaysia“ betritt Taibo Neuland, indem er einen Abenteuerroman schreibt und sich bei den literarischen Figuren des „italienischen Karl May“ Emiliano Salgari bedient, den Piraten Sandokan und Yanez. Ich muss gestehen, dass ich die Originalsaga nicht gelesen habe, aber es ist für mich schwer vorstellbar, dass die beiden Personen im Original ähnlich sympathisch und witzig rüberkommen wie unter Taibos Feder.

Sandokan, ein malaysischer Pirat weniger Worte, und Yanez, ein ehemaliger Portugiese, der seine Heimat und Nation verworfen hat, bereisen die Meere Südostasiens als Piraten und überfallen Schiffe, um anschließend SklavInnen zu befreien und gegen die KolonialistInnen zu kämpfen. Man kennt und ehrt sie als die Tiger von Malaysia. Ihr Schiff, die Mentirosa, ist, wie der Name schon andeutet, ein getarntes Kriegsschiff, das es schafft, unentdeckt über den Ozean zu schippern. Aus diesen Grundzutaten bastelt Taibo eine kompliziert verflochtene Verschwörung, bei der eine geheimnisvolle Gruppe von Geschäftsleuten versucht, den Tigern an den Kragen zu gelangen. Die Tiger wiederum verfügen über ein Netzwerk von Gruppen, die sie auf dem Festland unterstützen, von der chinesischen Mafia bis hin zu Bettlern, und wissen so, sich zu wehren.

Neben Yanez und Sandokan bestehen die Piraten aus einer Ansammlung von Verstoßenen – von einer flüchtigen französischen Sozialistin aus der Pariser Kommune über Sklaven bis zu deutschen Abenteurern. Sie eint vor allem ihre Ablehnung der herrschenden Zustände – eine bunte Ansammlung antiimperialistischer Piraten. Obwohl die Geschichte spannend und von vielen aktionsreichen Momenten geprägt ist, bei denen die Tiger mit einer Reihe von Angreifern fertig werden, sind die Dialoge das Herzstück des Romans. Sandokan und Yanez unterhalten sich über eine Reihe politischer Themen und kritisieren ironisch den Imperialismus der Engländer. So fragt Yanez: „Weißt du, dass die Chinesen den lieben langen Tag über auf den Boden spucken?“ Und gibt auch die Antwort: „Die Engländer von Hongkong halten das für eine Schweinerei, einen Mangel an Hygiene und deshalb haben sie beschlossen, alle, die in dieser Stadt dagegen verstoßen, in aller Öffentlichkeit mit Stockhieben zu bestrafen.

Merkwürdigerweise nehmen dieselben Briten, die diese Verordnung erlassen haben und sorgsam darüber wachen, dass sie eingehalten wird, und dabei die Rücken armer Chinesen zerschlagen, nur einmal im Monat ein Bad.“ An anderer Stelle wird der Ex-Portugiese Yanez sogar noch politischer: „Böse ist es, das Wort Freiheit unangemessen und herabwürdigend zu verwenden, es mit Handel zu assoziieren, so dass es Plünderung, Missbrauch, Diebstahl bedeutet. Um das zu beschreiben, wäre es viel vernünftiger das Wort ‚Affenscheiße' zu verwenden.“ Wir wissen nicht, ob die in Hamburg verurteilten somalischen Piraten auch solche Überlegungen anstellen. Immerhin wurden deren Küsten jahrelang durch Giftmüll europäischer Unternehmen verschmutzt. Das führte zu einer Dezimierung der Fischbestände, weswegen die Fischer aus Not anfingen, Schiffe zu überfallen.

Hier bleibt Taibo dem Motto treu, das er selbst im Vorwort zum Buch aufstellt: „Nicht die Literatur muss das Leben nachahmen, sondern das Leben die Literatur.“ (Taibo erinnert sich allerdings nicht, ob dieses Zitat von Salgari stammt oder er es selber bei der Lektüre von Salgari aufgeschrieben hat.) Wie man es von Taibo nicht anders kennt, bleibt das Buch natürlich nicht bei einer rein fiktiven Piratengeschichte, sondern die Tiger nehmen immer wieder Bezug auf reale Personen, wie Friedrich Engels, Karl May oder Jules Verne. Andere fiktive Romangestalten, wie Old Shatterhand oder Sherlock Homes' Erzfeind Dr. Moriarty werden von Taibo neu geboren. Entstanden ist eine witzige, politische Geschichte über die Außenseiter der Gesellschaft, die sich nicht mit den Regeln abfinden, die ihnen diktiert werden.

Paco Ignacio Taibo II: Die Rückkehr der Tiger von Malaysia, Übersetzung: Andreas Löhrer, Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg 2012, 304 Seiten, 19,90 Euro. Ebenfalls bei Assoziation A: Ralph Klein. Moderne Piraterie, Die Piraten vor Somalia und ihre frühen afrikanischen Brüder, Berlin/Hamburg 2012, 132, S., 12,00 Euro