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Auf den Putsch folgt der Ausverkauf

Über einen aktuellen Fotointerviewband zur Lage in Honduras
Susanne Gärtner

Am 24. November finden in Honduras Präsidentschaftswahlen statt – die ersten nach dem Staatsstreich 2009, an denen die neu gegründete Partei des damals aus dem Amt geputschten Präsidenten Manuel Zelaya antreten wird. Doch im Vorfeld der Wahlen häufen sich die Schreckensmeldungen aus dem zentralamerikanischen Land. Indigene und kleinbäuerliche AktivistInnen, die sich gegen den Bau von Staudämmen und Minen wehren, sind starker Repression, Körperverletzung und Mord durch Polizei, Militär, private Sicherheitskräfte und Angestellte privater Unternehmen ausgesetzt. Allerdings erreichen diese Nachrichten nur einen kleinen Kreis Interessierter, da Honduras in den hiesigen Medien kaum Erwähnung findet. 

Mit dem Foto-Interview-Buch „Honduras – Stimmen gegen den Ausverkauf des Landes“ versuchen TeilnehmerInnen der Hondurasdelegation, einer seit 2009 bestehende Gruppe von MenschrechtsaktivistInnen und JournalistInnen, diese Informationslücke zu schließen. In den Interviews und Texten, die zwischen Juli 2012 und Mai 2013 entstanden sind, kommen VertreterInnen von Menschenrechts-, Indigenen- und kleinbäuerlichen Organisationen, Betroffene des Bergbaus, Feminstinnen und VertreterInnen der LGBTI-Bewegung zu Wort. 

Die Interviews und Fotos vermitteln persönliche Eindrücke der Lebensrealität in Honduras, insbesondere in den ländlichen Regionen fernab der Hauptstadt Tegucigalpa. So berichtet der indigene Radiojournalist Juan Vásquez: „Alle haben ständig Angst um ihr Leben. Jederzeit kann man entführt oder erschossen werden. Bei vielen Radios ist das schon vorgekommen.“ Die feministische Schriftstellerin Melissa Cardoza spricht aber auch über persönlich wertvolle Momente des Widerstands: „Jeden Tag, an dem ich zu den Demonstrationen ging, habe ich glückliche Menschen gesehen … wenn du einen Ort hast, an dem du deine Wut herauslassen kannst und wo du das Gefühl bekommst, dass du etwas bewegen und schaffen kannst, bist du glücklich.“

Darüber hinaus liefert der Band wichtige Hintergrundinformationen zu den zahlreichen Landkonflikten. Die international bekannte Koordinatorin der Indigenen-Organisation COPINH, Berta Cáceres, berichtet von der Entstehung ihrer Organisation vor dem Hintergrund von Rassismus gegen die Lenca-Bevölkerung und dem späteren Versuch eines basisdemokratischen Neugründungsprozesses von Honduras, der mit dem Putsch jäh gestoppt wurde. Miriam Miranda, Präsidentin der Garífuna-Organisation OFRANEH, spricht über die territoriale Bedrohung durch Tourismusprojekte, Ölpalmenanbau und geplante Sonderentwicklungszonen an der mehrheitlich von Garífuna bewohnten Nordküste. 

Die Interviews werden ergänzt durch Artikel über die wichtigsten politischen Veränderungen der letzten Jahre. Eine Vielzahl von Gesetzen verschafft nun dem Staat die Kontrolle über die organisierte Zivilgesellschaft und allgemein über die Bevölkerung, sowie die Zusammenarbeit von Polizei und Militär. Der überwiegende Teil der beschriebenen Veränderungen betrifft den im Untertitel genannten „Ausverkauf des Landes“. Dazu zählt die Vergabe von Konzessionen für den Bergbau, verknüpft mit einem neuen Bergbaugesetz, das den Tagebau unter Einsatz giftiger Chemikalien erlaubt, sowie den Unternehmen unbegrenzten Zugang zu Wasserressourcen gewährt. Die sogenannten Modellstädte – eine Art autonomer Sonderentwicklungszonen –, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, wurden im ursprünglichen Entwurf abgelehnt, vom honduranischen Parlament jedoch durch eine Vielzahl neuer Sonderentwicklungszonen ersetzt. 

Der Band schließt mit einem wenig optimistischen Ausblick auf die Wahlen, den die honduranische Menschenrechtsverteidigerin Dina Meza gibt. Sie beschreibt ein Klima des Terrors gegen die politische Opposition und fordert eine internationale Beobachtung „nicht nur während der Wahlen, sondern ab sofort“. 
Der vorliegende Band gibt einen exzellenten Einstieg in die Verstrickungen der Green Economy und speziell zu einem Land, über welches nicht viel berichtet wird. Stellenweise wäre eine umfangreichere und damit weitergehende Analyse wünschenswert. Die inhaltliche Kürze wird aber durch zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur wettgemacht. 

Jutta Blume, Kirstin Büttner (Hrsg.): Honduras – Stimmen gegen den Ausverkauf des Landes, Berlin 2013, 90 Seiten, Bezug über bestellung@mondial21.org, Einzelexemplar 5,00 Euro (zzgl. 1 Euro Versand Deutschland, 3 Euro Versand europäisches Ausland