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Schikane gegen bolivianische Abgeordnete

Interview mit dem Parlamentarier Juan Carlos Claros über seine Erlebnisse am Frankfurter Flughafen

In der zweiten Juliwoche wollten ein bolivianischer Abgeordneter und zwei Senatoren von Lateinamerika aus kommend im Frankfurter Flughafen umsteigen. Ziel war Vilnius, die Hauptstadt Litauens. Dort sollten sie an einer Sitzung der aus europäischen und lateinamerikanischen ParlamentarierInnen bestehenden EuroLat-Versammlung teilnehmen. Was die deutschen Behörden mit den Dreien veranstalteten, lässt Alarmglocken schrillen. Eine gute Woche zuvor erst hatten europäische Regierungen dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales die Überflugrechte verweigert und ihn zur Landung in Wien gezwungen. Offenbar gilt diplomatische Immunität nicht für SüdamerikanerInnen. Wohl aber der Generalverdacht, sie seien Kriminelle. Zeitgleich mit den Ereignissen in Frankfurt wurde der Kopräsident von EuroLat, ein Salvadorianer, am Flughafen Madrid ebenso grundlos festgesetzt. Es ist höchste Zeit, mit dem grassierenden Rassismus europäischer Behörden aufzuräumen. Gaby Küppers sprach mit Juan Carlos Claros, Abgeordneter aus Cochabamba.

Gaby Küppers

Was ist Ihnen konkret am Flughafen Frankfurt passiert?

Wir waren gerade mit einer Maschine aus Brasilien kommend gelandet. Etwa 400 Personen stiegen aus. Meine Kollegen, die Senatoren Julio Salazar und Fidel Surco, und ich gingen getrennt inmitten der anderen durch den engen Korridor. An dessen Ende wurden wir drei einzeln aus der Passagiermenge herausgepickt. Wir zeigten sofort unsere Dokumente vor und gaben uns als Parlamentarier zu erkennen. Zudem erklärten wir, wir seien auf Einladung der EuroLat-Versammlung unterwegs. Sieben oder acht Sicherheitsbeamte in Zivil kreisten uns ein, schauten immer wieder in unsere Diplomatenpässe und taten so, als ob sie uns nicht verstünden, was ich nicht glaube. Sie gaben uns zu verstehen, dass sie die Diplomatenpässe für Fälschungen hielten und wir Lügner seien.

Das sagten sie Ihnen?

Sie sagten das nicht direkt, sondern fragten immer wieder, was wir in Frankfurt machten, so als ob wir irgendwann klein beigeben und eine andere Wahrheit herausrücken würden. Wir wiederholten nur, dass wir in offizieller Mission unterwegs seien, als Abgeordnete eines Landes, erstaunt über das Verhalten uns gegenüber seien und diplomatischen Respekt erwarteten.

Fand das alles im öffentlichen Raum statt?

Wir wurden an die Seite gedrängt und vom Sicherheitspersonal umzingelt, während die anderen 400 ihren Weg fortsetzten. Wir kamen uns vor, als seien wir verhaftet. Ungefähr 45 Minuten wurden wir so festgehalten. Anfangs war noch ein Brasilianer bei uns, der allerdings keinen Diplomatenpass hatte. Die Sicherheisleute telefonierten die ganze Zeit und wussten sicher längst über unseren Status Bescheid, hielten uns aber weiter fest. Ich habe ihnen alle meine Ausweise gezeigt, am Ende auch noch meinen Ausweis als Rechtsanwalt in Bolivien. Sie haben sich jede Seite ausführlichst angesehen und Zeit geschunden, als machten sie sich über uns lustig.

Haben die Sicherheitsleute Spanisch mit Ihnen gesprochen?

Nein, niemand. Alle sprachen Deutsch. Aber ich bin überzeugt, dass sie Spanisch verstanden.

Mit welcher Begründung wurden Sie am Ende freigelassen?

Mit keiner. Irgendwann drückte uns einer unsere Pässe in die Hand: „Bye, bye“. Ohne ein Wort der Entschuldigung.

Waren außer Ihnen weitere BolivianerInnen im Flugzeug?

Nein, wohl aber weitere lateinamerikanische Abgeordnete, die auch zur EuroLat-Versammlung wollten. Die wurden aber nicht herausgefischt. Ich würde sagen, das war schlicht Diskriminierung Bolivianern gegenüber. In Lateinamerika wäre das nicht passiert. Wenn uns ein Abgeordneter besucht, behandeln wir ihn wie einen Bruder, mit dem gebührenden diplomatischen Respekt. Uns würde es nie einfallen, seine Dokumente anzuzweifeln und auf der Suche nach irgendeinem Kratzer zu durchwühlen.

Was werden Sie in Bolivien tun?

Wir werden von dem Vorfall berichten und Schritte überlegen. Denn das Geschehene macht uns große Sorgen. Wenn das uns mit Diplomatenstatus passiert, was passiert dann „normalen“ Leuten? Den Brasilianer etwa, der mit uns festgehalten wurde, haben sie gleich wieder abgeschoben. Mir erscheint es nicht korrekt, Menschen zu diskriminieren aufgrund des Ortes, an dem sie geboren sind.

Sie nehmen den gleichen Weg wieder zurück. Haben Sie Befürchtungen?

Wir werden uns auf jeden Fall wieder korrekt verhalten, uns nicht provozieren lassen. Glücklicherweise haben wir keine sehr hormonal gesteuerten Temperamente. Als sie uns festhielten, haben sie es darauf angelegt, dass wir aufbrausten. Dann hätten sie einen Grund gehabt.

Das Gespräch führte Gaby Küppers im Juli in Vilnius.