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Ein großer Genosse und Freund

Abschied von Pedro Holz (1938-2016)
Gert Eisenbürger

Wir hatten schon länger mit der Nachricht gerechnet. Bereits vor eineinhalb Jahren informierte uns eine Bekannte, dass es Pedro sehr schlecht ginge und ihm wahrscheinlich nur noch wenige Wochen oder bestenfalls Monate blieben. Doch wie so oft während seiner langen Krebserkrankung hat Pedro den Prognosen der Ärzte und der Krankheit noch einmal getrotzt. Am 23. Januar 2016 hat er den Kampf mit dem Krebs aber schließlich doch verloren.

Den Namen Pedro Holz kennen sicherlich fast alle, die mit der bundesdeutschen Chile-Solidaritätsbewegung der 70er-Jahre zu tun hatten, denn Pedro war über 20 Jahre einer ihrer wichtigsten Repräsentanten.
Sein Großvater war Anfang des 20. Jahrhunderts aus Deutschland nach Chile migriert. Als seine Eltern Ende der 30er-Jahre das Land ihrer Vorfahren besuchten, vereitelte der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die Rückreise. So verbrachte Pedro seine Kindheit im südbadischen Rheinfelden, unmittelbar an der Schweizer Grenze. Erst 1949 kehrte die Familie nach Chile zurück. Dort besuchte er die Sekundar- und Oberschule und absolvierte ein ingenieurwissenschaftliches Studium. An der Universität begann er sich politisch zu engagieren, wurde in der Sozialistischen Partei Salvador Allendes aktiv, die damals einen eigenständigen, auf Selbstverwaltung und breite Partizipation zielenden Weg zum Sozialismus diskutierte. Er arbeitete auch gewerkschaftlich und als 1970 die linke Unidad Popular bei den Wahlen stärkste Fraktion im Parlament und Allende Präsident wurde, war er auf mittlerer Ebene im Regierungsprojekt tätig, zuletzt als Betriebsleiter einer von den ArbeiterInnen übernommenen Fabrik.

Bereits am Tag des Militärputsches, dem 11. September 1973, wurde er verhaftet. Nach mehreren Monaten in Haft kam er frei, musste sich aber wöchentlich bei der Polizei melden. Da das Damoklesschwert einer erneuten Verhaftung über ihm schwebte, suchte er wie viele andere chilenische AktivistInnen Zuflucht in einer diplomatischen Vertretung, in seinem Fall der der Bundesrepublik. In der überfüllten Botschaft saßen die Flüchtlinge monatelang fest, ehe die Militärjunta ihre Ausreise in die BRD gestattete. Seine Frau Isabel Cárcamo und der während Pedros Haft geborene Sohn Raúl konnten bereits einige Wochen vorher ausreisen.
Schon damals wurden die Flüchtlinge nach einem bestimmten Schlüssel auf Städte und Gemeinden verteilt, was dazu führte, dass Isabel und Pedro 1974 in Bochum landeten. Da er zweisprachig aufgewachsen war, nahm er bald eine wichtige Mittlerfunktion zwischen den exilierten ChilenInnen und den deutschen SolidaritätsaktivistInnen ein, die ganz überwiegend kein Spanisch sprachen.

Doch es waren nicht nur seine sprachlichen Fähigkeiten, sondern seine klare politische Analyse, seine Bündnisfähigkeit (Sektierertum war ihm fremd), vor allem aber seine Warmherzigkeit und sein Humor, die dazu führten, dass er über alle Parteigrenzen in der chilenischen Exil- und Solidaritätsbewegung geachtet und geschätzt wurde, was bei der politischen Zersplitterung dieser Szene schon eine Besonderheit war.
Neben seinen politischen Aktivitäten gegen die Pinochet-Diktatur begann Pedro während seiner Zeit in der Botschaft und dann in Bochum, seine Erfahrungen auch literarisch zu verarbeiten. In der Bundesrepublik suchte und fand er Anschluss an die Szene der schreibenden MigrantInnen, die in den 70er-Jahren unter der Selbstbezeichnung „Gastarbeiterliteratur“ die deutschsprachige Belletristik um ganz neue und andersgeartete Texte bereicherte. Seine bevorzugte Form wurde die Lyrik und vor allem die ganz kurze Prosa. Er schrieb schon die heute in Lateinamerika beliebten Minicuentos, als dieser Begriff noch unbekannt war.

Da seine libertär-linkssozialistischen politischen Positionen sich mit denen der 1975 gegründeten ila trafen, entwickelte sich schnell eine intensive Zusammenarbeit. Pedros Strömung in der Sozialistischen Partei Chiles war Ende der 70er-Jahre der größte Einzelabnehmer von ila-Heften (damals noch ila-info), die die chilenischen GenossInnen über ihre Büchertische und auf ihren Veranstaltungen vertrieben.
Bald wurde er ein wichtiger Mitarbeiter unserer Zeitschrift, was er auch nach seiner Rückkehr nach Chile im Jahr 1989 blieb. Er schrieb nicht nur selbst, sondern half uns immer bei der Suche nach anderen SchreiberInnen, wurde dabei auch in seiner Familie fündig, Isabel und Raúl gehören ebenfalls zu unseren AutorInnen. Alle unsere Chile-Schwerpunkte der letzten 20 Jahre haben wir in enger Abstimmung mit ihm konzipiert.

Für mich war Pedro über Jahrzehnte eine wichtige politische Autorität und ein väterlicher Freund. Als ich ihn das letzte Mal vor zwei Jahren in Valparaíso und Santiago sah, meinte er mit dem ihm eigenen Humor, ich schriebe doch meistens die Nachrufe in der ila. Bald würde seiner fällig und er würde doch sehr hoffen, dass ich mir damit Mühe gäbe. Pedro, ich hoffe, du bist zufrieden!

Ein Lebenswege-Interview mit Pedro Holz ist in der ila 166 im Juni 1993 erschienen.

Die ila hat noch einige Exemplare von Pedro letzten Kurzgeschichtenband „Heimreise in die Fremde“ (Bonn, 2007). Sie können zum Einzelpreis von fünf Euro bei der ila (ila@ila-bonn.de) bestellt werden.