ila

Konzerne nicht straflos davonkommen lassen

Das Buch „Unternehmen vor Gericht“ von Wolfgang Kaleck und Miriam Saage-Maaß
Jochen Schüller

Während sich internationale Konzerne auf verschiedenste Formen internationalen Wirtschaftsrechts stützen können, durch Investitionsschutz-Abkommen und Freihandelsverträge geschützt sind und ihre „Rechte“ vor Schiedsgerichten verteidigen können, sind Menschenrechte gegenüber diesen Unternehmen nur schwerlich einklagbar.

Die Juristin Miriam Saage-Maaß und ihr Kollege Wolfgang Kaleck beschreiben in ihrem neuen Buch „Unternehmen vor Gericht” die verschiedensten Bemühungen, der Allmacht der Konzerne etwas entgegenzusetzen und Menschenrechtsverletzungen anzuklagen. Der Untertitel verrät den Kontext, in den sie das Thema und ihre eigene Arbeit stellen: „Globale Kämpfe für Menschenrechte”. Sie sehen sich als Verbündete der Proteste und Kämpfe von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umwelt-Organisationen, die sich gegen die „schändlichen Auswirkungen globalen Wirtschaftens im Süden” wehren. Überall wo transnationale Konzerne und ihre Zulieferer für den globalen Markt produzieren, geht es um Kostenminimierung und Gewinnmaximierung (fast) um jeden Preis. Dass dabei Menschenrechte, insbesondere Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern, aber auch lokale Bevölkerungen und die Umwelt im globalen Süden immer wieder den Kürzeren ziehen, erscheint im globalisierten Kapitalismus fast schon als logische Konsequenz.

Nicht jedoch für das in Berlin ansässige ECCHR, das European Center for Constitutional and Human Rights. Miriam Saage-Maaß und Wolfgang Kaleck sind die bekanntesten Gesichter des ECCHR. Die Arbeit als juristische Menschenrechtsorganisation ist in erster Linie die Vertretung von Opfern und ihren Angehörigen. Die Proteste lokaler Bewegungen und Organisierung der Betroffenen sowie die Recherche und juristische Aufarbeitung durch Menschenrechtsorganisationen in den Ländern des Südens sind Voraussetzungen für Klagen gegen die Konzerne im globalen Norden. So klagt das ECCHR gegen Konzerne wie Mercedes Benz, Ford, NestlÄ und KiK. Von diesen eigenen und etlichen anderen Erfahrungen erzählen Saage-Maaß und Kaleck.

Wenig halten sie von den freiwilligen Initiativen der Corporate Social Responsability (CSR) vieler Unternehmen. Auch im Global Compact der Vereinten Nationen sehen sie einen zahnlosen Tiger. Die Lippenbekenntnisse der Wirtschaft haben die katastrophalen Unfälle in den Zulieferbetrieben der globalen Textilindustrie in Bangladesch und Pakistan nicht verhindert: beim Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes starben 1113 Textilarbeiterinnen und -arbeiter, bei Ali-

Enterprises in Karatschi wurden 260 Menschen Opfer der Brandkatastrophe. Erst der organisierte Widerstand der Betroffenen und Opfer-Angehörigen von Rana Plaza, die Empörung und Proteste internationaler Nichtregierungsorganisationen sowie Klagen haben in Bangladesch dazu geführt, dass es zumindest ein verpflichtendes Abkommen der Textilindustrie über Brandschutz und Gebäudesicherheit gibt, das Accord on Fire and Building Safety.

Im Fall der Brandkatastrophe von Karatschi klagen nun Überlebende und Angehörige der Opfer in Deutschland gegen KiK in einem Zivilverfahren in Dortmund auf Schadensersatz. Auch in diesem Fall ist das ECCHR direkt involviert: Dr. Miriam Saage-Maaß schrieb nicht nur ein Rechtsgutachten, das dazu beigetragen hat, dass die Klage in Deutschland überhaupt zugelassen wird. Bei etlichen Besuchen in Pakistan hat sie zusammen mit den Betroffenen, GewerkschafterInnen und AktivistInnen den gesamten Fall entwickelt und initiiert. Gemeinsam haben sie eine politische und juristische Strategie zur Verteidigung beziehungsweise Erlangung der Rechte der Betroffenen entwickelt. Das ECCHR stellte auch den Kontakt zu dem Berliner Anwalt Remo Klinger her, der die Opfer nun vor dem Landgericht in Dortmund vertritt. Bei der Klage gegen KiK hatten die Opfer mit ihren AnwältInnen im August 2016 einen ersten großen Erfolg: Das Landgericht Dortmund hat den Klägern Prozesskostenhilfe gewährt. Diese Gewährung der Prozesskostenhilfe ist zwar, so betonen insbesondere die Dortmunder Richter, keine Vorverurteilung von KiK. Dennoch ist diese Entscheidung eine eindeutige Bestätigung der Legitimität der Klage der Opfer und spricht ihr gewisse Erfolgschancen zu. Das Gericht wird den Sachverhalt nun intensiv prüfen und klären, ob der Textildiscounter seine Sorgfaltspflicht bei der Herstellung seiner Produkte in der Textilfabrik in Karatschi verletzt hat. Das ist mindestens ein Etappensieg in der juristischen Menschenrechtsarbeit in Deutschland!

Mit knapp 120 Seiten ist „Unternehmen vor Gericht” ein Handbuch zur Menschenrechtsarbeit im globalen Maßstab und zugleich ein Manifest für verbindliche, einklagbare Rechte gegenüber Unternehmen.

Weitere Infos und Materialien: www.ecchr.eu/de/home.html