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Zu Hause in Mexiko und München

Im Gespräch mit Taiga Trece

Die 13 in ihrem Namen steht für den Buchstaben M, wie München und Mexiko-Stadt. Taiga Trece ist in der mexikanischen und der bayrischen Hauptstadt zu Hause. Als Teenager zog sie nach Mexiko. Schon in der Grundschule war sie sich in Sachen Musik ganz sicher: Hiphop ist es! Fast ihr halbes Leben lang steht sie nun schon auf Bühnen, in Mexiko und Deutschland, und singt über das, was ihr am Herzen liegt. „Ich bin zwar keine echte Chola, weil ich kein indigenes Blut habe und die Cholo-Kultur nur zum Teil lebe. Trotzdem bin ich mehr als ,nur die Deutsche‘“, erklärt sie. „Ich bin von Deutschen umgeben, außerdem von Cholos und Cholas. Meine Cholos nennen mich La Cholemana. Ich bin quasi ,mexikanisiert‘“.

Jen Wörz

Wie kamst du zum Rap und wann ging es für dich zum ersten Mal auf die Bühne?
 
Um die Jahrtausendwende war Hiphop in Mexiko noch total underground. Und ich war total verrückt danach. Wann immer ich zum Beispiel in einem Auto etwas hörte, das mir gefiel, habe ich die Leute angequatscht. Auf einem Rap-Battle in Puebla hat uns der DJ auf die Bühne geschubst und uns zum Rappen animiert. Vielleicht auch gegen die Erwartungen der Anwesenden haben wir einen Song ganz durchgezogen: „Wenn der Vorhang fällt“, von der deutschen Gruppe „Freundeskreis“. Das kam gut an. Danach wurden wir für erste Auftritte angefragt. Texte geschrieben hatte ich schon davor, meine Gedanken, außerdem Poesie. Für die erstens Songs lieh uns Piel Azteca die Beats. Später kam es dann zu ersten Produktionen im Studio von MC Luka.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit MC Luka?

Luka war damals einer der bekanntesten Rapper in der Szene und bekannt dafür, das beste Weed zu rauchen, das es in Mexiko gab. Auf einer Show in Toluca hat uns diese Liebe verbunden. Er hat mich inspiriert, seine Story und die Chicano-Kultur. Er ist so etwas wie mein Mentor geworden.

Du bist jetzt quasi schon dein halbes Leben mit Rap auf der Bühne. Wann und wie fiel die Entscheidung, dich Vollzeit, also auch beruflich der Musik zu widmen?

Naja irgendwie schon, aber ich habe jahrelang pausiert. Das deutsche Leben kam dazwischen, falsche Männer und so ein paar andere Geschichten. Im Jahr 2013 hab ich dann einfach alles hingeschmissen, Job, Mann, Wohnung und mich auf die Musik konzentriert.

Deine Liebe zur und Vertrautheit mit der spanischen Sprache zeigt sich auch in der Wahl deiner Rapsprache. Viele deiner Lieder sind zweisprachig; aber auch in den Songs mit mexikanischen Künstlern hat Deutsch einen Platz. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Beide Sprachen gehören zu mir. Je nach Moment und Thema lässt sich manchmal etwas besser in der einen oder anderen Sprache ausdrücken. Das ist kein Konzept. Am Anfang schrieb und rappte ich auch noch auf Englisch und Portugiesisch. Das war dann aber etwas zu verwirrend mit vier Sprachen. Auf Konzerten hier und in Mexiko kann das Publikum dann immer einen Teil verstehen. Ich bin eine Brücke, dadurch, dass mir beide Kulturräume sehr nahe sind und ich sie in mir trage. Also halt „La Cholemana“.

Bist du eigentlich schon mal dafür kritisiert worden, dass du dich als weiße Frau „Chola“ nennst?

Um Anfeindungen ausgesetzt zu sein, reicht es, weiß zu sein, anders zu sein, Frau zu sein oder was auch immer. Ich selber nenne mich nicht „Chola“, andere nennen mich manchmal so. Und „Cholos“ in Mexiko sind ja noch mal etwas anderes als in Lateinamerika.

In deinen Liedern geht es immer wieder um Themen wie das Überleben, das Sich-durchs-Leben-Schlagen, leiden und kämpfen müssen, die pocas salidas (wenigen Auswege/Lösungen). Ein anderes Thema, das sich in deinen Texten und Videos zeigt, ist die Gemeinschaft in der Nachbarschaft, Zusammengehörigkeit, Familie. Ist das Leben für dich ein ständiges Überleben? Wo gibt es für dich, vielleicht auch für dich persönlich, das Gegenteil: gedeihen, Kraft schöpfen?

Da ich schon als junger Mensch, als Frau, alleine in Mexiko lebte, habe ich sicher einiges mitbekommen, was nicht jede erlebt. Ich kann sagen, ich liebe das Abenteuer und das Risiko. Ich hatte schon jung mit Selbstbehauptung und der Suche nach Identität und Zugehörigkeit zu tun. Überleben, das eigene Leben meistern, struggeln, das sind nicht nur meine persönlichen Erfahrungen, sondern auch die der Leute um mich herum. In Mexiko ist das Leben „rougher“. Ich bekomme auch hier in München noch mit, wie Freunde in Mexiko versuchen durchs Leben zu kommen. Aber struggle ist nicht nur schlecht. Es kann einen auch weiterbringen. Mein struggle hier in München kann ein ganz anderer sein als dort; hier gibt es im Vergleich zu Mexiko keine Sorgen um die wahre Existenz. Die Sicherheit ist hier Thema Nummer eins, nach dem Motto: mein Haus, mein Auto, meine Rente. Sicherheit ist nicht schlecht, kann in diesem Sinne aber auch beengen. Auch in München bin ich zuhause und habe ein Zuhause, das kann ich auch genießen. In Mexiko genieße ich das Leben auf der Straße, die Sonne, das Meer. Dass ich mit meinen Liedern auch politische Diskussionen anstoße, sehe ich an den Reaktionen und Posts. Ich habe mir da wenig Gedanken darüber gemacht. Ich bin nicht politisch korrekt, habe aber ein korrektes Herz.

Einige deiner Videos wirken sehr rau, Straßenleben, eine Rapperin in einer Crowd von Männern, so wie wir es eben aus vielen Hiphopvideos kennen. Spiegelt sich hier dein Umfeld in Mexiko wider oder ist es eine Anknüpfung an die Hiphopästhetik?

Ach, ich trommel meine Homez zusammen, organisier das Ganze, sowie jemanden mit Kamera. Gott sei Dank bin ich da nicht alleine. Meist hab ich eine Idee. Am Ende kommt aber häufig was anderes dabei raus. In Mexiko ist es natürlich auch nicht immer ohne Risiko zu drehen.

Gibt es Personen, die dich besonders inspiriert und geprägt haben? Und wen inspirierst du?

Na, als erstes meine Crew, la Vieja Guardia, und dann natürlich Tupac! Aber eigentlich inspirieren mich nicht unbedingt nur andere KünstlerInnen, sondern Begegnungen, im Leben, in der U-Bahn, beim Reisen etwa. Oder was in der Welt passiert, meine eigene Familie, meine Erfahrungen und Biografie. Wen ich geprägt habe? Gute Frage. Vielleicht Mädchen, die cool finden, was ich mache, und sehen, was möglich ist. Nach Workshops in Jugendzentren bekomme ich Emails mit Texten und Voice-Mails und werde gefragt, was meine Meinung dazu ist. Doch, ich denke schon, dass ich die eine oder andere Spur hinterlassen habe, wo ich unterwegs war.

Welche Entwicklungen siehst du für Frauen im Hiphop?

Hiphop ist nach wie vor von Männern dominiert. Aber es ist ja nicht nur im Hiphop so, sondern auch in anderen Genres und Lebensbereichen. Aber es tut sich was. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass es in Lateinamerika mehr Rapperinnen gibt und sie auch mehr akzeptiert werden. In Deutschland haben sich auch ein paar Frauen einen Namen gemacht, etwa Eunique oder Ewa. Meine persönliche Erfahrung ist, dass hier in Deutschland die Männer stärker versuchen, das Terrain zu schützen. Und meine ganz persönliche Erfahrung ist vielleicht, dass in Deutschland generell eher kritisch geschaut wird. Zuerst der prüfende Blick, Arme überkreuzt, skeptisch. In Mexiko hingegen habe ich erlebt, dass, wenn jemand mit dem Herzen dabei ist, für etwas brennt, dann werden die ersten künstlerischen Schritte wohlwollend betrachtet und Kontakte geknüpft. Unterstützt haben mich auf meinem Weg sowohl Männer als auch Frauen. Und andersherum genauso.

Für dich setzt sich also die Qualität (egal bei welchem Geschlecht) durch? Was wünschst du dir für die (scheinbar) wachsende Anzahl von Frauen und Mädchen im Business?

Ich glaube nicht, dass sich Qualität durchsetzt, leider, alleraber harte Arbeit. Glück und Kontakte zählen auch viel. Ansonsten die Zeit. Ich wünsche mir für die Ladies, dass sie glücklich mit sich selber sind und für sich einstehen.

Welche mexikanischen KünstlerInnen sollten wir im Auge behalten?

An dieser Stelle kann ich nur sagen: Representing my crew: La Banda Bastön hat ein neues Album draußen. Der Newschool-Rapper El Alemán, von dem wird man noch einiges hören. Es sind auch ein paar feine Ladies am Start. Wen ich gerade sehr feiere, ist natürlich Arianna Puello und la Mamba Negra. Ihr Style, ihr Flow, das gefällt mir.

Auf was kannst du in der Rap-Szene verzichten?

Auf zu viel Fäkalsprache und bullshit Texte von Leuten, die keinen Plan haben, sowie immer die gleichen Autos, Ärsche und Geprolle. Außerdem auf hyperintellektuellen (Studenten-) Rap und Idiotenrap, aber am meisten auf die Kommentare von Außenstehenden, die meinen, alles analysieren und auseinandernehmen zu müssen und nur von sich selber ausgehen. Und sicher noch vieles mehr.

Gibt es eine besondere Erinnerung, ein Konzertmoment, der dir direkt in die Gedanken und ins Herz kommt?  

Im Jahr 2014 hat mich Ari Puello auf die Bühne geholt, spontan zum Freestylen. Das war wie ein Traum – damals. Und heute normal!

Was kommt als nächstes, was bringt das Jahr 2017?

Für dieses Jahr bin ich mit Konzerten durch. Ich war ganz schön unterwegs, privat war viel los und nun geht es in die Produktion. Ich habe einiges geschrieben und hoffe, dass 2017 dann auch viel davon neu rauskommt.

Das Skype-Interview führte Jen Wörz am 7. November 2016.