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Eine Akazie ist der bessere Vizepräsident

Der Kampf um den Yasuní-Park nach dem Regierungswechsel in Ecuador

Am 15. August 2017 jährte sich der Tag zum vierten Mal, an dem der damalige Präsident Rafael Correa das Scheitern der Yasuní-ITT-Initiative verkündete und damit den Startschuss für die Ausbeutung der Erdöllager des Blockes 43 gab. Dazu gehören die Ölfelder Ishpingo, Tiputini und Tambococha, daher die Abkürzung ITT. Die Yasuní-ITT-Initiative hatte vorgeschlagen, die Erdölvorräte der drei Felder nicht auszubeuten und sie dauerhaft unter der Erde zu lassen; dafür sollte die internationale Gemeinschaft die Hälfte der entgangenen Erdöleinnahmen an Ecuador zahlen. Ziel der Initiative war es, den Nationalpark Yasuní zu erhalten, einer der Orte mit der weltweit höchsten Biodiversität. Dieser unerhört innovative Ansatz, der weltweit Klima-Aktivist*innen inspirierte, konnte sich leider nicht durchsetzen. Der Geograf und Aktivist Manuel Bayón hat für die ila recherchiert, wie es um die Ölbohrungen und den Widerstand dagegen im Yasuní-Park bestellt ist.

Manuel Bayón

In diesem Teil des ecuadorianischen Amazonasgebietes leben zwei indigene Gruppen (die Tagaeri und Taromenane, die beide zur Ethnie der Huaorani gehören) in selbstgewählter Isolation. In Folge der Ankündigung Correas, die Ölfelder nun doch auszubeuten, entstand die Yasunidos-Bewegung, ein Zusammenschluss unterschiedlicher Organisationen mit einem hohen Anteil junger Menschen. Um die Ölbohrungen der ITT zu verhindern, bereiteten sie eine Befragung der Bevölkerung vor. Die dafür erforderliche Anzahl an Unterschriften hatten sie schnell beisammen. Doch diese Unterschriften wurden im Laufe des Jahres 2014 durch den Nationalen Wahlrat für nichtig erklärt, was zu einer Reihe von Anzeigen wegen Betruges führte, denn das Referendum wurde dadurch verhindert. Inzwischen haben die Ölbohrungen im Feld Tiputini begonnen. Diese Region liegt dem Napo-Fluss am nächsten und gilt als Pufferzone des Yasuní-Nationalparks.

Nachdem die Unterschriften 2014 für ungültig erklärt wurden, hat Yasunidos eine ganze Reihe an Aktionen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene durchgeführt, um die Ausbeutung der Ölreserven im Block 43 und den angrenzenden Blöcken zu verhindern. Auf nationaler Ebene ist Yasunidos nach wie vor eines der wichtigsten Kollektive, die die weitere Ausdehnung der Ölförderung und des Bergbaus bekämpfen. Sie unterstützen entsprechende Mobilisierungen, führen Aktionen durch und wirken auf die öffentliche Meinung ein. In der Regierung Correa waren sie der Stein im Schuh. In die Forderungen von Yasunidos fanden auch neue Themen Eingang, etwa der Widerstand gegen die Kriminalisierung von Umweltschützer*innen oder gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen (siehe Beitrag auf S. 12 f) und Tierquälerei. So erstellten sie eine ganze ökologische Agenda innerhalb der ecuadorianischen Gesellschaft. Ein Höhepunkt dieser Agenda war der Präsidentschaftswahlkampf im letzten März, wo Umweltthemen in das Programm der verschiedenen Kandidat*innen aufgenommen wurden. Umweltschutz und ökologische Fragen avancierten durch ihren Einsatz zu einem wichtigen Thema in den sozialen Netzen, vor allem für junge und sehr junge Leute.

Auf lokaler Ebene gelang es Yasunidos, Yasuní als Symbol des Amazonas in das Gewissen der ecuadorianischen Gesellschaft einzuimpfen. Durch Vor-Ort-Überprüfungen (Verifikationen) konnten sie aufdecken, dass die wichtigsten Versprechen der ecuadorianischen Regierung zum Vorgehen bei der Erdölförderung des Yasuní gebrochen worden waren. So machte Yasunidos öffentlich bekannt, dass die angekündigten „ökologischen Pfade“ in Wirklichkeit ganz normale Straßen der Ölunternehmen sind, für die jeweils enorme Schneisen durch den Urwald gerodet wurden; und sie konnten nachweisen, dass die Pazifik-Raffinerie, die angeblich die nationale Versorgung sicherstellen soll, nichts weiter als eine von der Firma Odebrecht errichtete Freifläche ist, für die aber Hunderte Hektar an tropischen Trockenwäldern zerstört wurden. Diese Verifikationen waren Aktionen der „BreakFree“, einer weltweit agierenden Aktionsgruppe, die eine sehr wichtige Rolle bei dem Kampf um den Yasuní spielt.

Nach dem Regierungswechsel hat die Regierung von Präsident Lenín Moreno, die seit Mai 2017 an der Macht ist, eine gewisse Offenheit in Richtung der Linken signalisiert. Die Linke war durch die Kriminalisierung und die Politik der vollendeten Tatsachen von Seiten der Regierung Correa paralysiert gewesen. Trotzdem erklärte die neue Administration die extraktivistische Politik – genau wie die Vorgängerregierung – zur Grundlage der Regierungspolitik. In strategischen Bereichen sind die politischen Posten mit denselben Personen wie unter Correa besetzt, zugleich werden Ölförderung und Bergbau ausgeweitet, und der Anbau transgener Pflanzen wurde genehmigt, obwohl die Verfassung das verbietet. Indessen findet ein heftiger Machtkampf in der Regierung statt, Lenín Moreno ersetzt die Verbündeten von Rafael Correa durch eigene Leute. Der wichtigste Kopf, der ersetzt wurde, ist Vizepräsident Jorge Glas: Inzwischen ist er zum Symbol für die Korruption der Mächtigen geworden, nachdem mehrere Skandale aufgedeckt wurden, darunter das Bestechungsnetz der brasilianischen Baufirma Odebrecht. Jorge Glas war einer der Hauptverfechter des Extraktivismus in der Regierung und puschte diese Politik in allen strategischen Bereichen. Im August wurde er von Moreno all seiner Ämter enthoben. Die Verantwortung für die meisten dieser Korruptionsfälle tragen hohe Posten der Regierung Correa im Ölförderungsbereich, wie Carlos Pareja Yannuzzelli, der frühere Geschäftsführer des staatlichen Erdölunternehmens Petroecuador und spätere Ölminister, oder Wilson Pastor, zuerst Geschäftsführer von Petroamazonas und später ebenfalls Energieminister. Diese Fälle zeigen, welche schmutzigen Geschäfte die Ölgewinnung hervorbringt.

Für Yasuní sind die nächsten Monate entscheidend. Zum einen wurden im März dieses Jahres seismische Aktivitäten (Sprengungen) in den Ölgebieten angekündigt, die mehr als 93 000 Hektar im Nordosten des Yasuní-Parks betreffen, in den Blöcken 31 und 43. Dies ist eine der aggressivsten Phasen der Ölgewinnung, denn dabei werden alle 50 Meter Sprengsätze in einer Reihe gezündet, die Reihen werden alle 500 Meter gelegt. Die Explosionen finden wenige Meter unter der Erde statt und mit immer größerer Sprengkraft, um die Erde in Bewegung zu setzen und damit die Erdölvorräte im Untergrund genauer lokalisieren zu können. Diese Sprengungen haben große Auswirkungen auf die Fauna in dem Gebiet, die Tiere erschrecken oder sterben, vor allem die Wassertiere – und das in einem Gebiet, das überwiegend aus Seen und Sumpfgebieten besteht.

Zugleich liegt das für die Sprengungen angekündigte Gebiet sehr nahe an den Orten, wo die Huaorani-Indigenen in selbstgewählter Isolation leben, nur 500 Meter von der nicht zugänglichen Zone Tagaeri-Taromenane entfernt, in der jede extraktivistische Aktivität verboten ist. Und nur fünf Kilometer von der Stelle entfernt, an der die Existenz von Häusern und Anbauflächen der Indigenen vom ecuadorianischen Staat bestätigt wurden. Dort wird man also die Detonationen hören und von der Flucht der Tiere betroffen sein. Das ist ein Angriff auf die Indigenen und verletzt die Verfassung von 2008. Außerdem widerspricht es den Normen für Ölsprengungen in überschwemmten Gebieten sowie dem Versprechen, das von der Nationalversammlung als Gesetz verabschiedet wurde, dass sich die Ölförderung nur auf ein Tausendstel des Parkes auswirken werde; doch allein die Sprengungen betreffen ein Gebiet von 93 Tausendstel. Es bricht auch das Versprechen, dass nur ecuadorianische Firmen das Öl fördern dürfen, denn beauftragt wurde die chinesische Firma SINOPEC, berüchtigt für ihre sehr niedrigen Umweltstandards. Das Ölministerium plant die Ausweitung der Ausbeutung in dem ITT-Block in Richtung des Tambococha-Feldes, das mitten im Yasuní-Park liegt. Hier sollen die Arbeiten in wenigen Wochen beginnen.

Gleichzeitig wird die Konzessionierung immer weiterer Ölfelder vorangetrieben, in dem umstrittenen Ölförderungspaket XI sind der gesamte Westen und Südwesten betroffen. Viele dieser neuen Operationen liegen in den Händen chinesischer Firmen (Block 14, 17, 79 und 83). Aber auch verschiedene europäische Firmen weiten ihre Ölförderung aus, vor allem die spanische Repsol und die italienische Agip Oil. Die Genehmigung immer neuer Erschließungs- und Ausbeutungsgebiete hat sich seit Mai 2017 verstärkt, ohne dass auf die Einsprüche bei den bisherigen Verfahren durch indigene Gruppen reagiert wurde, deren Recht auf vorherige, freie und informierte Konsultationen verletzt wurde. In dem südwestlichen Teil des Yasuní-Parkes wohnen viele der Frauen, die im Widerstand für die Erhaltung des Yasuní-Parkes organisiert sind und die im Oktober 2013 durch das ganze Land bis nach Quito gezogen waren, um gegen das neue Ölförderungspaket zu protestieren.

Zuletzt haben viele der Vor-Ort-Überprüfungen von Seiten verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen immer wieder aufgezeigt, dass der Staat seine Aufsichts- und Schutzpflichten im Süden des Yasuní-Nationalparks und in der unantastbaren Zone Tagaeri-Taromenane völlig vernachlässigt. Seit Jahren durchstreifen illegale Holzfäller und Jäger diese Gebiete und haben dort ihr eigenes Gesetz durchgesetzt. Der Abzug der Militärposten und der Rückzug des Umweltministeriums vom Curaray-Fluss haben dazu geführt, dass ein riesiges Gebiet für den illegalen Holzschlag von wertvollen Bäumen wie Zedern genutzt wurde und unkontrollierte Jagd von Peru aus stattfindet. Die letzte Vor-Ort-Überprüfungsgruppe hat eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht; daraufhin soll es eine massive staatliche Intervention gegeben haben, wie von offizieller Seite verlautbart wurde.

Als Teil des von Lenín Moreno initiierten Dialogprozesses mit der Zivilgesellschaft gab es im Juli 2017 ein Treffen des Umweltministers Tarcisio Granizo mit Yasunidos. Das Ministerium gab danach bekannt, ein gemeinsamer Besuch sei vereinbart worden. Die ökologische Bewegung fordert jedoch ein komplettes Audit (umfassendes Überprüfungsverfahren) der Ölförderung in allen Blöcken, die Auswirkungen auf den Yasuní-Park haben. Nach Yasunidos-Quellen muss diese gemeinsame Arbeit noch definiert werden und der Ausgang des Dialoges ist ungewiss.

Am 15. August 2017, vier Jahre nach der Aufhebung der Yasuní-ITT-Initiative, besetzte Yasunidos symbolisch eine Akazie, die sie vor zwei Jahren auf dem Großen Platz von Quito gepflanzt hatten, und erklärten sie zum neuen Vizepräsidenten von Ecuador. Sie argumentierten, dass ein Baum unzählige Funktionen im Ökosystem habe, die für das Leben notwendig sind – ganz anders als die zerstörerischen Funktionen des Immer-noch-Vizepräsidenten Jorge Glas. Ein Baum würde die Macht des Präsidenten im Carondolet-Palast stets wachsam beobachten. Im Zuge eines turbulenten Machtübergangs hat die neue ecuadorianische Regierung zwar einige Zückerchen verteilt, vor allem aber setzt sie auf die Kontinuität des extraktivistischen Modells. Die Zukunft des Yasuní steht auf dem Spiel und wird sich in den nächsten Monaten entscheiden.

Manuel Bayón ist Geograph und Mitglied von Yasunidos, des „Colectivo de Geografía Crítica“ und von „Miradas Críticas del Territorio desde el Feminismo“. Er hat für universitäre Umweltinstitutionen in Ecuador gearbeitet und schreibt über soziale und Umweltthemen.