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Davids Sieg gegen Goliath ist in Gefahr

Die erfolgreichen Kampagnenbetreiber*innen gegen Bergbau in El Salvador müssen wachsam bleiben

Als der Kleinbauer und Gemeindesprecher Tobías eines Tages sein Land bestellte und einen Unbekannten auf sich zukommen sah, war ihm nicht bewusst, was dieser Besuch für die Zukunft seiner Gemeinde und seiner Ländereien bedeuten würde. Tobías ging zu ihm hin und fragte ihn, was er hier an diesem verlorenen Flecken suche. Der Fremde antwortete, er suche nach Minen (also Minerale). Angesichts dieser Antwort lachte der Campesino laut. Er erinnerte den Fremden daran, dass die Minen (also die Antipersonenminen) vor über einem Jahrzehnt infolge der Friedensabkommen geräumt worden seien. Der Fremde korrigierte sich daraufhin. Er suche Edelmetall-Minen, weil er sich sicher sei, dass alle diese Ländereien reich an Edelmetallen seien. Dass es auf seinem Land Edelmetalle gab, war nichts Neues für Tobías, genauso wenig für die anderen Einwohner*innen von San José Las Flores. Ihnen waren immer wieder Spuren dieser Metalle in ihren Flüssen und auf ihren Äckern begegnet. Neu war, dass sich Fremde für diese Metalle interessierten.

Jesús Valencia

Es war im Jahr 2005, nachdem Tobías und andere Bürger*innen Alarm geschlagen hatten wegen der ständigen Anwesenheit von Arbeitern, die ihre Ländereien ausspionierten. Die Gemeinde begann, Nachforschungen anzustellen. Über die Kommunalverwaltung, das repräsentative Organ der Versammlung aller Bürger*innen und die Glaubensgemeinschaft „Hermanas de la Asunción“ begannen sie, Kontakt zu anderen Gemeinden in Zentralamerika aufzunehmen, die von demselben kanadischen Bergbauunternehmen, „Aura Silver Resources“, ausgekundschaftet worden waren.

Diese ersten Kontakte knüpften sie mit Hilfe mehrerer nationaler und internationaler Umweltorganisationen. Einige Monate später besuchten sie sogar einige Bergbauprojekte in Honduras, um vor Ort die schädlichen Auswirkungen des Abbaus von Edelmetallen kennenzulernen.

Zusammen mit verschiedenen Vereinen und Gruppen begann die Gemeinschaft von San José Las Flores, sich zu organisieren und bei weiteren Gemeinden, die möglicherweise ebenfalls betroffen sein könnten, Bewusstsein zu schaffen über die Gefahren des Bergbaus in der Region. Ihre Kampagne umfasste Aktivitäten wie den Besuch aller Kantone, Schulen und Gesundheitszentren, die Einberufung von Versammlungen sowie die Vorführung von Dokumentarfilmen für Gemeindevorsteher*innen der Region. Sie starteten diese Kampagne, um den schönfärberischen Informationen, die das Bergbauunternehmen verbreitete, etwas entgegenzusetzen und dem möglichen Verkauf von Ländereien an das Unternehmen vorzubeugen.

Angesichts der fortschreitenden Erkundungsarbeiten beschloss eine große Gruppe von Gemeindemitgliedern aus San José Las Flores eines Morgens, die Arbeiter des Bergbauunternehmens nicht mehr durchzulassen. Der Vorsitzende der Bürgerversammlung erklärte ihnen friedlich, dass sie über die Fortführung der Aktivitäten des Unternehmens in der Region nicht verhandeln würden. Sie würden sich kraftvoll und organisiert zur Wehr setzen, falls das Unternehmen diese Entscheidung der Gemeinde nicht respektiere. Die Erkundungsarbeiten in San José Las Flores wurden eingestellt, allerdings nicht die Arbeit der Gemeinschaft zu diesem Thema.

Mehrere Monate später unterstützte die Gemeinschaft Las Flores die Gemeinde San Isidro im Departement Cabañas auf deren ausdrücklichen Wunsch hin bei der Blockade eines Bergbauprojektes, das dort umgesetzt werden sollte und bei dem die Vorbereitungsmaßnahmen weit fortgeschritten waren. Erneut gelang es ihnen, gemeinsam mit anderen Gemeinschaften einem Bergbauprojekt Einhalt zu gebieten.

Neun Jahre später, im September 2014, wurde eine Volksabstimmung im Land durchgeführt, wie es sie noch nie gegeben hatte: Die Einwohner*innen von San José Las Flores stimmten ab, ob sie für oder gegen eine Landgemeinde frei von Edelmetall-Abbau wären. Von 812 Abstimmenden sprachen sich 804 für eine Landgemeinde ohne den Abbau von Edelmetallen aus, fünf dafür, drei Stimmen waren ungültig. Damit war klar, dass 99 Prozent der Einwohner*innen gegen den Abbau von Edelmetallen in ihrer Landgemeinde waren.

In den folgenden Monaten wurde die Befragung gegen den Abbau von Edelmetallen in mehreren umliegenden Landkreisen durchgeführt (San Isidro Labrador, Nueva Trinidad und Arcatao) und erzielte ähnliche Ergebnisse. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse und angesichts der Tatsache, dass der Abbau von Edelmetallen in El Salvador durch kein Gesetz verboten war, schufen die Gemeinderäte Umweltanordnungen, deren Ziel es war, den Abbau von Edelmetallen in den Landkreisen zu verbieten.

Die Gemeinden wollten jedoch nicht nur auf lokaler Ebene aktiv sein und gründeten gemeinsam mit weiteren Gemeinden den „Nationalen Ausschuss gegen den Abbau von Edelmetallen in El Salvador“ (Mesa Nacional contra la Minería Metálica en El Salvador). Dieser Runde Tisch wurde die wichtigste Institution im Kampf für ein Gesetz, das den Abbau von Edelmetallen im Land verbieten sollte. Nach mehreren Jahren öffentlichen Drucks und Überzeugungsarbeit (und während die FMLN an der Regierung war) wurde im März 2017 das Gesetz verabschiedet - mit den Stimmen von 70 von 84 Parlamentsabgeordneten. Damit wurde El Salvador zum ersten Land weltweit, in dem der Abbau von Edelmetallen verboten ist.

An einem regnerischen Abend zwölf Jahre nach diesem ersten zufälligen Aufeinandertreffen zwischen dem Floreño und dem Gesandten des multinationalen Unternehmens, auf einer Feier unter Freunden anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes, berichtete Don Tobías voller Weisheit, Erfahrung und Besonnenheit von dem großen Erfolg, den dieses Gesetz bedeutete. Gleichzeitig warnte er davor, dass die Gesetzgebende Versammlung in El Salvador immer schon Gesetze nach ihrem Gutdünken verabschiedet und wieder annulliert habe. Die Bevölkerung müsse also wachsam sein und bereit zum Widerstand.

Mittlerweile ist es März 2018, einige Monate sind vergangen seit diesem denkwürdigen Kommentar. Und es gibt die ersten Anzeichen dafür, die Tobías Recht geben. Die Lobbyaktivitäten der Bergbauunternehmen bei den Politiker*innen der ARENA-Partei, die nun die Mehrheit in der Gesetzgebenden Versammlung und auch Aussichten auf einen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2019 hat, können wahrmachen, was bislang nur eine Befürchtung ist, die Aufhebung des Gesetzes gegen den Abbau von Edelmetallen.

Jesús Valencia ist Wirtschaftswissenschaftler und Dozent. In Las Flores arbeitete er in pädagogischen Projekten zu solidarischer Ökonomie. 2017 drehte er einen Film über die Geschichte der Gemeinde (aktuell in der Postproduktionsphase).

Übersetzung: Ina Hilse