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Kontrollieren – Neutralisieren – Eliminieren

Honduras: Unabhängige Expert*innengruppe legt Bericht zum Mord an Berta Cáceres vor

Die Untersuchung der unabhängigen Expertengruppe GAIPE im Fall des Mordes an Berta Cáceres brachte das Muster „Kontrollieren – Neutralisieren – Eliminieren“ zutage, nach welchem honduranische Eliten agieren, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen berührt werden. Der Bericht zeigt Details zur Planung und Durchführung sowie zu Auftraggebenden des Mordes an Berta Cáceres auf.

Rita Trautmann

Zwei Jahre ist es her, dass Berta Cáceres in ihrem Haus in La Esperanza ermordet wurde. Zwei Jahre, in denen ihre Familie und ihre Organisation – COPINH (Ziviler Rat der indigenen und Basisorganisationen von Honduras) – gegen Straflosigkeit in dem Mordfall kämpfen. Mit kleinen Erfolgen: Denn auch wenn die Hintermänner noch nicht bestraft sind, so sind sie zumindest bekannt, unter anderem dank GAIPE.

Die Expertengruppe (Grupo Asesor Internacional de Personas Expertos – GAIPE) wurde auf Anfrage der Familie von Berta Cáceres gegründet, um eine unabhängige Untersuchung rund um den Mord an ihr und den versuchten Mord an Gustavo Castro durchzuführen. Denn auf das staatliche Justizsystem kann man nicht zählen. Über 90 Prozent aller bei der Generalstaatsanwaltschaft angezeigten Fälle bleiben in Honduras straflos. Außerdem lehnte der honduranische Staat das Angebot der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ab, die Untersuchung zu unterstützen.

Im November 2016 nahm GAIPE die Arbeit auf und stellte ihren Bericht am 31. Oktober 2017, knapp einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in Honduras, vor. Die fünf Strafrechtsexpert*innen aus den USA, Guatemala und Kolumbien hatten sich zum Ziel gesetzt, die Ereignisse um den Mord zu rekonstruieren und Verantwortliche auf ausführender und auftraggebender Ebene zu identifizieren. Ausgewertet wurden von der Expertengruppe vor allem Telefondaten der beschlagnahmten Mobiltelefone der Angeklagten: Telefonverbindungen, Chats und GPS-Daten. Aus der Fülle an Daten gelang es den Expert*innen zu rekonstruieren, welcher Strategien sich die Baufirma DESA (Desarrollo Energético S.A.) bediente, um Widerstände in den Gemeinden und in der Organisation COPINH zu brechen: Unterwanderungen, Spaltungen der Gemeinden, jahrelange Einschüchterungen, Hetzkampagnen und Kriminalisierung von Aktivist*innen sowie Kooptierung von Justizangestellten und Sicherheitskräften bis hin zum Mord. Die Aktionen von DESA folgten dem Schema: Kontrollieren – Neutralisieren – Eliminieren von Wasserkraftwerksgegner*innen.

Nachdem über Jahre die Gemeinden im Widerstand durch die genannten Strategien nicht erfolgreich eingeschüchtert werden konnten und der Protest weiterging, wurde zum Äußersten gegriffen. Der Mord an Berta Cáceres war Monate vorher geplant worden. Nachweislich wurde ab November 2015 die operative Struktur dafür aufgebaut. Ein geplanter Anschlag für Februar 2016 schlug fehl. Am 2. März 2016 konnte die Tat durchgeführt werden. Der Bericht zeigt anhand von Telefonprotokollen, dass hohe Angestellte der Firma DESA sowie Staatsfunktionäre und staatliche Sicherheitskräfte in das Verbrechen involviert waren.

Relativ kurz nach dem Mord präsentierte die honduranische Regierung aufgrund von internationalem Druck acht Schuldige, gegen vier von ihnen wurde der Prozess eröffnet. Auch muss der damalige stellvertretende Umweltminister, der illegal die Erlaubnis für das Wasserkraftwerk erweitert hat, vor Gericht erscheinen, wenn auch erst zwei Jahre nach dem Mord.

Laut der Expertengruppe GAIPE gäbe es ausreichende Beweise dafür, auch die Auftraggebenden vor Gericht zu bringen. Eine höchst ineffiziente Generalstaatsanwaltschaft, Vertuschung von Informationen und Verschwindenlassen von Beweismaterial behindern jedoch transparente Ermittlungen. Im Bericht der GAIPE sind leitende Angestellte von DESA als Auftraggebende genannt, was sich anhand von Telefonprotokollen nachvollziehen lässt.

Die im Ruhestand befindliche ehemalige Polizeikommissarin und derzeitige Abgeordnete für die Oppositionspartei LIBRE, María Luisa Borja, geht in ihren Aussagen noch weiter.1 Borjas hat Zugang zu Unterlagen der Generalstaatsanwaltschaft und hier ist die Liste der geistigen Urheber des Mordes lang: Mitglieder der Regierungspartei, Bürgermeister, leitende Angestellte von DESA und vor allem die Familie Atala, als Eigentümer von DESA.

Die frühere Chefin der regierenden Nationalen Partei, Gladys Aurora López Calderón, und ihr Mann Arnoldo Gustavo Castro Hernández werden ganz klar von Borjas als Mitverantwortliche benannt. Castro Hernández selbst ist Eigentümer zweier Staudammprojekte im Lenca-Gebiet. Gegen beide Staudammprojekte von Castro leisten die Gemeinden mit Unterstützung von COPINH Widerstand. Gladys Aurora unterhielt wiederum sehr gute Beziehungen zu den DESA-Eigentümern Atala. Das familiäre Netzwerk der Atalas, die zu den 20 mächtigsten Familien in Honduras gehören, ist breit gefächert von Funktionären der Nationalen Partei über Direktoren der Finanzgruppe FICOHSA bis hin zu den Eigentümern der Firma DESA.

Am 2. März 2018, also zum zweiten Todestag, wurde überraschenderweise einer der Auftraggebenden, Roberto David Castillo Mejía, verhaftet. Castillo Mejía war zum Zeitpunkt des Mordes Direktor der Staudammbaufirma DESA. Der an der Militärakademie West Point in den USA ausgebildete Militär machte später Karriere im Aufsichtsrat des staatlichen Energieunternehmens ENEE in Honduras und wurde 2011 Direktor von DESA. Kurz nach seiner Verhaftung wurden Verbindungen von ihm zum Drogenkartell „Los Cachiros“ bekannt. DESA streitet jegliche Verantwortung ihres früheren Direktors ab und fordert seine Freilassung. Die Menschenrechtsorganisation Global Witness führte Castillo Mejía bereits 2017 in ihrem Bericht2 als einen der Hintermänner des Mordes auf, der aber nicht nur Auftraggeber war, sondern Berta Cáceres auch direkt bedroht hatte und die Logistik für die Tat bereitstellte. Seine Verhaftung ist zweifellos ein Erfolg, aber im Gesamtszenario des Mordes ist er nicht der ganz große Fisch. Leider muss man befürchten, dass die Elite weiterhin straffrei ausgeht.

Auch ist der Zeitpunkt der Verhaftung von Castillo zu betrachten. Juan Orlando Hernández von der Nationalen Partei ließ sich verfassungswidrig für eine zweite Amtsperiode aufstellen. Durch Wahlbetrug wurde er – von den USA unterstützt – zum Sieger erklärt und trat Ende Januar 2018 erneut das Präsidentenamt an.

Damit ist Honduras in die seit Jahrzehnten tiefste politische Krise gerutscht. Eine Protestwelle erfasste das ganze Land. Ein Großteil der Bevölkerung ist einerseits mit Hernández‘ Wiederwahl nicht einverstanden. Zum anderen haben die Honduraner*innen es satt, von einer korrupten Elite betrogen zu werden. Der Wahlbetrug brachte das Fass zum Überlaufen.

Gegen die Protestierenden ging die Regierung mit Gewalt vor:
38 Tote, mehrere Hunderte Verletzte, über 1200 Verhaftungen, von denen 24 Personen weiterhin in Haft sind, sind die traurige Bilanz von weniger als drei Monaten.

Das Image von Hernández wurde durch die Wahl und die nachfolgenden Ereignisse stark beschädigt. Kurz vor Amtsantritt wurde zudem noch vom Kongress eine viel kritisierte Gesetzesänderung durchgebracht, der so genannte „Straflosigkeitspakt“, der die Untersuchung von Abgeordneten im Hinblick auf Korruption verhindert. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Regierung nun zeigen möchte, dass sie gegen Korruption und Straflosigkeit vorgeht. Eine Verhaftung in dem emblematischen Mordfall an Berta bringt Hernández durchaus einige Anerkennung durch die internationale Staatengemeinschaft.

Die Expertengruppe GAIPE hat Informationen offengelegt, die der honduranischen Staatsanwaltschaft ebenso vorliegen. Jetzt ist diese am Zuge und muss dafür sorgen, dass der Fall nicht straflos bleibt und vor allem, dass auch die Drahtzieher bestraft werden. Bisher wurden die Gerichtsverhandlungen der bisher Angeklagten häufig vertagt, so auch die erste Anhörung im Fall Castillo. Von daher gibt es noch keinen Grund zur Hoffnung, solange nicht ernstzunehmende, angemessene Strafen verhängt sind.

Honduras ist eines der gefährlichsten Länder für Umweltaktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen. Wie mit dem Mord an Berta Cáceres umgegangen wird, ist richtungsweisend für andere Fälle. Denn seit ihrem Mord wurden mehr als 40 weitere Aktivist*innen umgebracht.