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Die Handschrift der Täter

Motive und symbolische Bedeutung der „Feminicidios“

Eine überzeugende Erklärung für das Phänomen der Feminicidios gibt es bisher noch nicht. Einige Ansätze sind hilfreich, andere verwirren und verschleiern mehr, als sie erklären. Die brasilianische Anthropologin Rita Laura Segato untersucht in ihrer Annäherung an eine Erklärung vor allem folgende Aspekte: Machtverhältnisse, Territorium, Konstruktion von Männlichkeit und parallele Staatlichkeit.

Rita Laura Segato

Zweimal unterhielt ich mich mit der Autorin Diana Washington (siehe Beitrag in dieser ila) auf der anderen Seite der Grenze (schließlich lässt der FBI nicht zu, dass sie ohne Schutzgeleit die Brücke überquert). Und ich habe das Buch von Sergio González gelesen. Beide erwähnen, dass Personen aus hohen Gesellschaftsschichten in die Tode von Ciudad Juárez verwickelt sind. Doch hier fehlt ein wesentliches Bindeglied: Was bringt diese angesehenen Familienväter und erfolgreichen Geschäftsleute dazu, sich auf diese makabren Verbrechen einzulassen, die allem Anschein nach kollektiv durchgeführt werden? Auf der Suche nach dem Grund dafür wird deutlich, dass die so beliebte Erklärungsformel vom „sexuellen Motiv“ unzureichend ist. Neue Definitionen sind vonnöten, um das Spezifische an einer bestimmten Gruppe von Toten in Juárez zu verstehen; ebenso notwendig sind neue juristische Kategorien. Und es muss das gesagt werden, was eigentlich auf der Hand liegt: Kein normales Verbrechen kann sich derart straflos in die Länge ziehen und kein ernstzunehmender Polizist redet so leichtfertig über das, was eigentlich Produkt langer Nachforschungen ist: die Ursache, das Motiv, der Grund eines Verbrechens.

Bevor ich das erste Mal von den Verbrechen in Ciudad Juárez hörte, hatte ich zwischen 1993 und 1995 eine Untersuchung über die Mentalität von verurteilten Vergewaltigern im Gefängnis von Brasília durchgeführt. Sie alle waren verurteilt worden aufgrund von sexuellen Angriffen, die sie anonym auf der Straße an ihnen unbekannten Opfern verübt hatten. Was ich von ihnen hörte, bestätigte die grundlegende feministische These, dass sexuelle Verbrechen keine Taten von verwirrten Einzelnen oder psychisch Kranken sind, sondern Ausdruck einer tiefer liegenden symbolischen Struktur, die unsere Handlungen und Vorstellungen organisiert und sie verstehbar macht. Mit anderen Worten: Der Angreifer und die Gesellschaft haben die gleichen Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis, sprechen die gleiche Sprache und können sich verstehen. Außerdem trat bei den Untersuchungen zutage, dass – ganz im Gegensatz zur allgemeinen Annahme – die Vergewaltiger meistens nicht alleine agieren und auch keine einsamen Jäger sind, die ihren Opfern auflauern, sondern dass sie es zusammen mit anderen machen. Man kann die Wichtigkeit dieses Befundes nicht genug betonen: So sind Vergewaltigungen Taten inmitten der Gesellschaft, die sich in einer Kommunikationsnische vollziehen, deren Sprache nachvollziehbar und verständlich ist. 

Benutzen und Missbrauchen vom Körper des Anderen gegen seinen Willen – die Vergewaltigung – zielt auf die Vernichtung des Willens des Opfers, dessen Reduzierung genau damit gezeigt wird: der Kontrollverlust über den eigenen Körper. Dem Opfer wird die Kontrolle über seinen Körper-Raum genommen. Deswegen könnte man auch sagen, dass die Vergewaltigung der allegorische Akt par excellence der Definition Carl Schmitts von Souveränität ist: die gesetzgeberische Kontrolle über ein Territorium und über den Körper des Anderen als Annex dieses Territoriums. Unbegrenzte Kontrolle, beliebige Willkür des Souveräns, die ähnliche Merkmale bei den Anderen auslöschen können, vor allem aber die Kraft der Anderen, das Andere oder eine alternative Subjektivität zu leben. In diesem Sinne ist dieser Akt auch verbunden mit dem Konsumieren des Anderen, dem Kannibalismus: Die Existenzberechtigung und der eigene Wille des Anderen überleben nur im Körper desjenigen, der ihn verschlungen hat. Der Rest seiner Existenz überlebt nur als Teil des Herrscherprojekts. 

Warum wird der Vergewaltigung diese Bedeutung zugeschrieben? Gemäß der Rolle, die Sexualität in dieser Welt einnimmt, wird in der Vergewaltigung die physische und moralische Beherrschung des Anderen vereint. Schließlich gibt es keine souveräne Macht, die sich nur physisch äußert. Ohne die psychologische und moralische Unterordnung kann es nur die Macht des Todes geben – aber die Macht des Todes allein ist keine Souveränität. Die vollständige Souveränität hat die Macht darüber, „leben zu machen oder sterben zu lassen“. Ohne die Beherrschung des Lebens ist die Beherrschung unvollständig. Deshalb kann ein Vernichtungskrieg auch keinen Sieg davontragen. Nur die Macht der Kolonisierung kann die Macht des Todes denjenigen zeigen, die überleben sollen. Der höchste Ausdruck der Souveränität ist die psychologische und moralische Niederlage des Unterworfenen und seine Umwandlung in einen aufnahmebereiten Empfänger für die Darstellung der willkürlichen Macht des Todes. 

Da es sich eher um eine aussagekräftige als um eine instrumentelle Gewalt handelt – ausgedrückt werden soll die absolute Kontrolle eines Willens über einen anderen – ist der Typ von Aggression, der der Vergewaltigung am meisten ähnelt, auch die Folter – die physische und moralische. Das Hauptziel der aussagekräftigen Gewalt ist auszudrücken, dass der Wille des Anderen in ihren Händen liegt. Beherrschung, Souveränität und Kontrolle stellen ihr Bedeutungsuniversum dar. Letztere können natürlich nur gegenüber einer Gesellschaft von Lebenden ausgeübt werden. In einem souveränen Regime sind einige für den Tod bestimmt, damit die souveräne Macht in ihren Körpern ihre Handschrift hinterlassen kann. In diesem Sinne ist der Tod dieser Auserwählten, der das Drama der Beherrschung repräsentiert, ein aussagekräftiger und kein utilitaristischer Tod.

Aber jede Art von Gewalt, auch wenn die instrumentelle Funktion überwiegt, enthält eine aussagekräftige Dimension: Jeder gewalttätige Akt trägt eine Handschrift. Das weiß jeder Kommissar. Wenn sich ein Verbrechen wiederholt, könnten wir die Handschrift identifizieren – das Profil, die Präsenz eines erkennbaren Subjektes hinter der Tat. Die Handschrift ist nicht Folge eines Willensaktes, sondern Konsequenz aus dem Automatismus der Mitteilung: die wiedererkennbare Spur eines Subjekts, seiner Position und seiner Interessen. Wenn also die Vergewaltigung eine Mitteilung ist, muss sie sich an ein Gegenüber richten, das entweder physisch anwesend oder in der Vorstellungswelt des Mitteilenden präsent ist. Der Vergewaltiger vermittelt seine Botschaften an zwei Gesprächspartner, nicht nur an einen – das Opfer – wie allgemein angenommen wird.

Auf vertikaler Ebene redet er in der Tat mit dem Opfer. Sein Diskurs nimmt eine strafende Gestalt an, der Aggressor selbst zeigt ein moralisierendes Profil. Er ist Vorkämpfer einer sozialen Moral, denn in dieser allgemein geteilten Vorstellungswelt sieht das Schicksal für die Frau vor, dass sie sich zurückhält, dass sie zensiert, diszipliniert und reduziert wird. Aber es gibt auch eine horizontale Ebene bei der Vermittlung; dies war die interessanteste Entdeckung im Zuge meiner Untersuchung unter den Häftlingen in Brasilia. Hier wendet sich der Aggressor an Seinesgleichen, und zwar auf unterschiedliche Art und Weise. Er verlangt zum einen Zugang zu ihrer Gemeinschaft, somit wird die vergewaltigte Frau zu einer Art Opfergabe innerhalb eines Initiationsritus'. Zum anderen konkurriert er mit ihnen und zeigt, dass er wegen seiner Aggressivität und seiner Macht über den Tod einen Platz in der Bruderschaft verdient hat oder sogar eine herausragende Position, denn hier versteht man nur eine hierarchische Sprache und eine pyramidenförmige Organisationsweise.

Das funktioniert so, denn in der langen Geschichte des Geschlechterverhältnisses, die fast so lang wie die Geschichte der Menschheit selbst ist, gehorcht die Konstruktion von Männlichkeit anderen Regeln als die Konstruktion von Weiblichkeit. In einer transkulturellen Perspektive wird belegt, dass Männlichkeit einen prekären Status hat – sie muss ein Leben lang immer wieder neu bestätigt werden. Das geschieht in einem Prozess der Mutproben oder Eroberungen und ist vor allem abhängig von der Eintreibung von Tributen eines Anderen, der aufgrund seiner naturalisierten untergeordneten Position der Männlichkeit Nahrung geben muss. Indem er seinen Tribut zollt, schließt sich dieser Andere gleichzeitig von der Kaste aus, für die er sich aufopfert. Mit anderen Worten: Damit ein Subjekt seinen männlichen Status erreicht, als Titel, als Rang, ist es nötig, dass ein anderes Subjekt diesen Status nicht hat. 

Dieses Modell, das die Bedeutung der horizontalen Ebene berücksichtigt, auf der sich die Mitglieder der Brüderschaft verständigen, führt zu der Schlussfolgerung, dass der Hass gegenüber dem Opfer nicht der ausschlaggebende Faktor bei den feminicidios von Juárez ist. Natürlich ist die Misogynie, die Frauenverachtung, in dem Umfeld, in dem die Verbrechen stattfinden, weit verbreitet. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass das Opfer nur Abfallprodukt eines Prozesses ist; vielmehr stehen die extremen Anforderungen, um Mitglied bei einer Gruppe von Gleichrangigen sein zu können, hinter dem Rätsel von Ciudad Juárez. Die anderen Männer dominieren die Szenerie – und nicht das Opfer, dessen Rolle sich darauf beschränkt, konsumiert zu werden, um die Bedürfnisse der Gruppe von Gleichrangigen zu befriedigen. Hier kommunizieren die Gleichwertigen untereinander, sei es als Verbündete oder als Kontrahenten: die Mitglieder der mafiösen Bruderschaft, um ihre Zugehörigkeit zu garantieren und ihren Pakt zu feiern; die Gegner, um ihre Macht zu zeigen – gegenüber den Konkurrenten im Geschäft, den lokalen und nationalen Autoritäten, den AktivistInnen, AkademikerInnen und JournalistInnen, die es wagen, sich auf geheiligtes Terrain zu begeben, und gegenüber den nachrangigen Eltern, Geschwistern und FreundInnen der Opfer. Diese Anforderungen und Formen des Exhibitionismus sind charakteristisch für ein patriarchalisches mafiöses System.

Da die mexikanische Justiz schon seit langer Zeit untätig ist, richtet sich unsere Aufmerksamkeit unmittelbar auf den Subtext der Verbrechen: Sie geben ein beredtes Zeugnis von der Straflosigkeit. Die Straflosigkeit ist auch Eingangstür zur Entzifferung der Verbrechen. Die feminicidios von Ciudad Juárez können m. E. besser verstanden werden, wenn sie nicht als Konsequenz von Straflosigkeit wahrgenommen werden, sondern als Produzenten und Reproduzierende von Straflosigkeit. Dies war meine erste These und war vielleicht auch das erste Ziel der Täter: Sie wollen einen Schweigepakt abschließen, damit die Loyalität unter den mafiösen Bruderschaften, die in der am meisten kontrollierten Grenzregion der Welt operieren, garantiert ist. Außerdem wollen sie damit beweisen, wie grausam sie sein können und wie viel Todesmacht für ihre hochgefährlichen Geschäfte nötig ist. Das gewalttätige und makabre Opferritual vereint die Mitglieder der Mafia und macht ihre Verbindung unverletzbar. Die Straflosigkeit kann hierbei als Produkt, als das Resultat der Verbrechen gesehen werden, die Verbrechen als Produktion und Reproduktion der Straflosigkeit: ein Blutspakt, der mit dem Blut der Opfer geschlossen wurde. 

Von daher kann an diesem Punkt ein wesentlicher Unterschied zwischen dieser Art von Verbrechen und den Verbrechen gegen Frauen in der häuslichen Sphäre, gegen Opfer, die zum sozialen Umfeld des Täters gehören, ausgemacht werden. Während der Mann im Schutze der häuslichen Sphäre die von ihm abhängigen Frauen missbraucht, weil er es tun kann, d.h., diese Frauen sind bereits Teil des von ihm kontrollierten Territoriums, eignet sich der Angreifer im öffentlichen Raum den weiblichen Körper an, weil er zeigen muss, dass er es tun kann. Bei ersterem handelt es sich um die Bestätigung von einer bereits existierenden Beherrschung, bei letzterem um die Zurschaustellung einer gewissen Kapazität zur Beherrschung, die regelmäßig wiederholt werden muss. Hier liegt die Macht in einer dramatischen öffentlichen Schau, die auf der Ausplünderung des weiblichen Körpers beruht.

Die klassische Strategie der Selbsterhaltung der souveränen Macht besteht darin, dass sie die Tatsache, über dem Gesetz zu stehen, verbreitet und sogar spektakulär in Szene setzt. Auf diese Art und Weise können auch die Frauenmorde von Ciudad Juárez verstanden werden: Einerseits besiegeln sie den Pakt der Mafia, andererseits haben sie aber auch Beispielcharakter, da sie die disziplinierende Macht aller Gesetze verstärken. Schließlich stellt der Täter mit der Macht, immer wieder und ungestraft entführen, foltern und töten zu können, die Einheit, Vitalität und territoriale Kontrolle seines korporativen Netzwerkes zur Schau. Es liegt auf der Hand, dass für die Kontinuität dieser Verbrechen, die seit elf Jahren ungestört verübt werden können, hohe menschliche und materielle Ressourcen vonnöten sind: Kontrolle über ein weites und loyales Netz von Verbündeten; Zugang zu Orten für Festnahme und Folter; Transportfahrzeuge; Zugangsmöglichkeiten, Einfluss oder Einschüchterungspotenzial auf Repräsentanten des Systems auf allen Ebenen, einschließlich auf nationaler; Zugangsmöglichkeiten, Einfluss oder Einschüchterungspotenzial auf Regierungsmitglieder und öffentliche Angestellte auf allen Ebenen. 

Die Verbrechen scheinen regelrecht von einem bestialischen „Recht der ersten Nacht“ eines feudalen und postmodernen Barons und seiner Getreuen zu erzählen. Sie sind der perfekte Ausdruck seiner absolutistischen Beherrschung eines Territoriums, wo das Recht über den Körper der Frau eine Verlängerung des Rechts des Herrn über seine Leibeigenen ist. Doch der Baron hat vor dem Hintergrund eines schrecklichen, zeitgenössischen, postmodernen, neoliberalen, poststaatlichen und postdemokratischen Systems die Macht erlangt, auf fast uneingeschränkte Art und Weise sein Territorium zu kontrollieren – und zwar als Konsequenz einer unkontrollierten Akkumulation, die typisch für die Grenzregion ist und durch die Globalisierung der Wirtschaft und die losen Leinen des aktuellen neoliberalen Marktes noch verschlimmert worden ist. Die einzig regulierende Kraft besteht in der Gier und der Raubpotenz seiner Konkurrenten: der anderen Barone des Ortes. Regionale Mikrofaschismen und totalitäre Kontrolle über die Provinz begleiten den nationalen Zerfall auf dieser Seite der großen Grenze und schreien danach, dass Kontroll- und Gesetzesformen internationalen Zuschnitts angewandt werden. Der mysteriöse Tod der Frauen von Ciudad Juárez kann der definitive Hinweis darauf sein, dass die Dezentralisierung vor dem Hintergrund von Entstaatlichung und Neoliberalismus nichts anderes hervorruft als einen Provinztotalitarismus, ein rückschrittliches Zusammenspiel von Postmoderne und Feudalismus, in dem der weibliche Körper wieder zu einem Anhängsel des Territoriums wird.

Die Frauenmorde von Ciudad Juárez sind keine herkömmlichen Verbrechen gegen Frauen, sondern korporative Verbrechen, genauer gesagt Verbrechen eines Parallelstaates. Sie ähneln eher den Ritualen, die die Einheit von Geheimgesellschaften oder totalitären Regimes besiegeln sollen. Sie stellen sich als Verbrechen dar, die von einem nicht benannten Subjekt an einem nicht benannten Opfer verübt werden: Eine geheime Macht missbraucht einen bestimmten Typ Frau, macht sie zum Opfer, um seine Kontrollmacht zu bestätigen und wieder zu beleben. Deshalb sind sie eher wie Staatsverbrechen, wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wo der parallele Staat, der die Verbrechen verübt, nicht gefasst werden kann, da es an effizienten juristischen Kategorien und Verfahrensweisen fehlt, die gegen ihn vorgehen könnten. Deshalb müssten neue juristische Kategorien geschaffen werden, um diese Verbrechen juristisch verstehbar und klassifizierbar zu machen: Sie sind keine gewöhnlichen Gewaltverbrechen gegen Frauen wie sie in der häuslichen Sphäre stattfinden – wie es frecherweise die Rechtsvertreter, Autoritäten, aber auch AktivistInnen behaupten –, sondern Verbrechen eines zweiten Staates oder korporative Verbrechen, in denen die aussagekräftige Dimension der Gewalt vorherrschend ist. „Korporativ“ bezieht sich hier auf die Gruppe oder das Netz, das die Ressourcen, Rechte und Pflichten des Parallelstaates verwaltet, der fest in der Region verankert ist, aber auch Tentakel und Brückenköpfe im ganzen Land hat.

Wenn wir für einen Moment die Begriffe umdrehen und sagen, dass das Ziel des Kapitals nicht der Prozess der Akkumulierung ist – weil das eine unnötige Wiederholung wäre und von daher einen geschlossenen Kreis ohne eigenes Ziel darstellen würde – sondern dass sein eigentliches Ziel die Produktion von Unterschieden ist, indem Hierarchien reproduziert und sukzessive erweitert werden bis zu dem Punkt, dass einige dabei ausgelöscht werden, dann kann daraus geschlossen werden, dass nur der Tod von einigen den Ort und die Position von allen Beherrschten allegorisch darstellen kann. Mithilfe des Ausschlusses, der Macht, andere zu unterwerfen, gibt sich das Kapital schlechthin seinen eigenen Segen. Und welcher Ort der Unterdrückung ist emblematischer als der Körper der mestizischen, der armen Frau, der Tochter und Schwester von anderen mestizischen Armen? Wie könnte besser das „Andere“ dargestellt werden, das genau deswegen erschaffen wird, damit es besiegt werden kann? Welche Trophäe könnte die Pfründe optimaler Geschäfte bar jeglicher Regeln oder Beschränkungen besser symbolisieren? Diese auf zweierlei Art andere Frau betritt die Szene, als Ort, an dem die letzte Formel der totalitären Kontrolle über Territorium und Körper geschaffen und mit Bedeutung aufgeladen wird, indem diese Frau gedemütigt und unterdrückt wird.

Wir stehen hier der Unbegrenztheit beider Ökonomien gegenüber – der symbolischen und der materiellen. Plünderung und Ausrauben der Umgebung und der Arbeitskräfte gehen Hand in Hand mit der systematischen und korporativen Vergewaltigung. Von daher können wir festhalten, dass einerseits das Verstehen des ökonomischen Kontextes – im großen Maßstab – dabei helfen kann, Licht in die Vorkommnisse in Ciudad Juárez zu bringen; andererseits rütteln uns die Toten von Juárez – in ihrem regionalen und kleinen Maßstab – auf und stoßen uns auf eine neue Betrachtungsweise der weltweiten Veränderungen. Gleichzeitig wird diese Welt jeden Moment unwirtlicher und niederschmetternder.

Auszüge aus: Territorio, soberania y crímenes de segundo Estado: La escritura en el cuerpo de las mujeres asesinadas en Ciudad Juárez, Brasilia 2004. Übersetzung: Britt Weyde