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Politischer Irrweg

Biotreibstoff in Mexiko

Aufgrund der gestiegenen Preise für gelben Mais in den USA, der anscheinend auf der gestiegenen Nachfrage nach dem Biotreibstoff Ethanol beruht, haben einige mexikanische Abgeordnete einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Herstellung und Nutzung von Biotreibstoff in Mexiko fördern soll. (Das Gesetz ist inzwischen verabschiedet) Es bleibt dabei aber zu fragen, ob Mexiko tatsächlich eine ähnliche Politik wie die USA verfolgen sollte oder ob die mexikanische Realität nicht eine andere ist und Mexiko von daher auch eine andere Politik braucht.

Alejandro Villamar

Die soziale Situation, die Produktionsbedingungen und die Vermarktung von Mais und anderem Getreide ist in den USA radikal anders als in Mexiko. In den USA hat sich die Regierung auf eine langjährige Strategie der massiven Produktionsförderung von Biotreibstoffen, vor allem Ethanol, festgelegt. In einer ersten Phase soll vor allem Mais dafür produziert werden. Die USA unterstützen die Biotreibstoffe aus einer ganzen Reihe von Gründen. Am meisten publiziert wird der Grund, dass die USA so ihre Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe verringern und diese zugleich durch einen nachhaltigeren, offenbar weniger umweltschädlichen Treibstoff ersetzen will. Doch dieses Land, der wichtigste Getreidelieferant der Welt, was mit enormen staatlichen Subventionen gefördert wird, steht zugleich vor der Herausforderung, seine riesigen Überschüsse auf dem Weltmarkt abzusetzen. Das bedeutet unlauteren Wettbewerb, die Verletzung internationaler Abkommen, die Zerstörung der Agrarproduktion anderer Länder und ist ein Hindernis bei der Schaffung eines multilateralen internationalen Handelsgefüges. Wenn die USA also einen Teil ihrer Überschüsse auf den internen Markt kanalisieren oder umleiten, entschärft das die internationalen Konflikte und eröffnet dem Agro-Business neue interessante Verdienstmöglichkeiten. Es könnte sogar für kleine oder Familienbetriebe und vernachlässigte Regionen in den USA neue Perspektiven eröffnen. Aber diese Politik, die auch Brasilien und die EU verfolgen, muss eine Reihe von Fragen beantworten und berechtigte Einwände ausräumen - politische, umweltbedingte und vor allem sozialwirtschaftliche. Diese Einwände gelten auch und in besonderem Maße für Mexiko. 

Der Beitrag, den das Ethanol zur energetischen Unabhängigkeit, zum besseren Umweltschutz und zur Kostenreduzierung leisten kann, wird maßlos übertrieben. US-WissenschaftlerInnen haben ausgerechnet, dass, selbst wenn die gesamte US-Anbaufläche zur Produktion von Biotreibstoff benutzt würde, nur 12 Prozent des Energiebedarfs damit gedeckt werden könnten. Solange also die Energiepolitik und das Konsumverhalten sich nicht ändern, bleiben die Abhängigkeit von anderen Energieträgern und der Treibhauseffekt, der für den Klimawandel und globale Schäden verantwortlich ist. Die Produktion und der Verbrauch von Ethanol ist weit davon entfernt, nicht umweltschädlich zu sein. Am 7. Februar dieses Jahres erklärte der Nobelpreisträger Mario Molina in der Abgeordnetenkammer, dass die Produktion von Ethanol umweltschädlich sei, mehr CO2 produziere und der tatsächliche Energiegewinn minimal sei. Außerdem wird zur Herstellung von Ethanol viel Wasser gebraucht (für jede Einheit Ethanol braucht es sechs Teile Wasser), im Moment ist die Produktion von Ethanol nicht rentabel und sie bindet enorme Regierungsgelder. Auf diese Gelder haben es die großen Monopole der Produktion, Vermarktung und der Biotechnologie offenbar abgesehen. Außerdem stellt sich die Frage, ob zur Nahrung bestimmtes Getreide wirklich zum Füttern von Motoren benutzt werden soll, und es wird immer deutlicher, dass zunächst die Forschung über die Nutzung der Zellulose von Gräsern oder von Abfällen zur Treibstoffgewinnung intensiviert werden muss.

Im Unterschied zu den USA schafft es Mexiko kaum, die eigene Bevölkerung mit weißem Mais (für Mehl) zu versorgen, und weist ein wachsendes Defizit an Futter- und ölhaltigem Getreide auf. Wenn es in den USA darum geht, Mais und anderes Getreide industriell zu nutzen, liegt das an dem großen Angebot und den Überproduktionen, in Mexiko dagegen geht es darum, überhaupt in der Lage zu sein, die eigene Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Viehfutter und für die Lebensmittelindustrie zu befriedigen. Mexiko braucht ein gesichertes und erschwingliches Angebot an Nahrungsmitteln, um die Unterernährung, vor allem bei Kindern und zahlreichen sozial sensiblen indigenen und nicht indigenen Gruppen zu bekämpfen, braucht anständige Arbeitsmöglichkeiten und eine verbesserte Infrastruktur auf dem Land und eine staatliche Politik, die die große Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten wieder reduziert, die bereits gefährliche Ausmaße angenommen hat, denn Mexiko ist deshalb politischem Druck und internationalem Einfluss ausgesetzt.

Der Teufelskreis zwischen Armut und Unterernährung, genauso wie der zwischen Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung, zeigt sich in vielen Teilen des Landes. Das ist nicht nur ein Problem der sozialen Gerechtigkeit und der Regierungsfähigkeit, sondern es ist auch Teil der strukturellen Schwäche Mexikos. Solange es Armut und Unterernährung gibt, wird es nicht gelingen, den einheimischen Markt zu stärken, die Gesundheitssituation der Bevölkerung zu verbessern und die Kultur und Biodiversität zu schützen und internationale Abkommen einzuhalten. Wirtschaftlich gesehen bedeutet eine Unterstützung der Ethanolproduktion in Mexiko, dass die klammen Mittel der Regierung für Projekte verwendet werden, die weder vorrangig noch strategisch wichtig sind. Einige Unternehmergruppen verfolgen die Strategie der Ethanolproduktion nicht nur, um staatliche Zuschüsse zu erhalten oder für den Export. Unter dem sehr fragwürdigen Vorwand der Erhöhung der Produktivität durch genetisch verändertes Saatgut geht es ihnen vielmehr um das Monopol und die technologische Kontrolle von genetischen Informationen. Seitdem Präsident Fox die staatliche Firma PRONASE zerschlagen hat, die für die Vermarktung des nationalen Saatgutes zuständig war, sind nach seriösen Schätzungen 90 Prozent des kommerziellen Maissaatgutes unter der Kontrolle von Cargill u.ä. transnationalen Unternehmen. Ein weiterer Grund für ihr Interesse an den Ethanol-Gesetzen und einer Beimischungspflicht eines bestimmten Anteils von Ethanol zum Benzin ist die Hoffnung, auf diese Weise – zusammen mit ausländischem Kapital – die Kontrolle über die Produktion und den Import von Biotreibstoffen zu erreichen und so langfristig die Macht von PEMEX (staatliche Erdölfirma) zu brechen.

Wenn aber schon wirtschaftlich keine Ähnlichkeit zwischen Mexiko und den USA besteht, so noch viel weniger, was die Kultur, Geschichte und Identitätsstiftung rund um den Mais betrifft. Wir wissen, dass diese Werte auf dem freien Markt nicht zählen. Aber sie gehören zu unserer Kultur und zu unserer Identität. 7000 Jahre Mais anbauen und Mais essen bedeuten tiefe Wurzeln, die Verkaufsargumente, technologischer Fortschritt und Umweltparolen nicht ignorieren und noch viel weniger auslöschen können.
Das Modell der Biotreibstoffe ist also für Mexiko ein politischer Irrweg. Dahinter stecken zumeist private Interessen und Gewinnsucht, die sich als öffentliches Interesse ausgeben, aber die sozialen, politischen und Umwelt-kosten dieser neuen Technologie verschweigen. Deshalb verlangen wir eine öffentliche und demokratische Diskussion über die Politik der Regierung zu Mais und Biotreibstoffen.

Wir unterstützen, zusammen mit der Mehrheit der Campesinos und Indigenen dieses Landes, die Parole Sin Maíz no hay País (Ohne Mais gibt es kein Land). Wir wollen ein Land mit Mais, in dem Mais in erster Linie der Ernährung dient und von unseren BäuerInnen angebaut und weiterentwickelt wird.

Alejandro Villamar ist Mitarbeiter des „Mexikanischen Netzwerks gegenüber der Herausforderungen des Freihandels“ (REM ALC). Aus Alai-amlatina Febr. 2007. Übersetzung: Laura Held