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Hungerstreik von StaatsanwältInnen in Honduras

38 Tage lang befanden sich in Honduras mehrere StaatsanwältInnen im Hungerstreik, um gegen die Korruption im Ministerio Público zu protestieren. Hintergrund war, dass mehrere Verfahren gegen einflussreiche Personen des politischen und wirtschaftlichen Lebens, u.a. den ehemaligen Präsidenten Callejas, nicht weiter verfolgt wurden.

Ina Hilse

Das Ministerio Público wurde 1994 in Honduras als Resultat sozialer Kämpfe als Anklageinstanz aller BürgerInnen im Falle von Eingriffen des Staates in ihre Rechte gegründet. Allerdings wurde es bald, ähnlich allen anderen staatlichen Institutionen in Honduras, parteipolitisch instrumentalisiert. Die Direktion wurde von PolitikerInnen oder ParteivertreterInnen besetzt, Korruption, Ineffizienz und Straflosigkeit waren auch in diesem Ministerium an der Tagesordnung. Vor einigen Jahren gründeten einige der StaatsanwältInnen im Ministerio Público eine Gruppe, die dafür eintritt, dass das Ministerium nicht weiter eine korrupte Instanz ist und die zurückbehaltenen Fälle wieder aufgenommen bzw. weiter verfolgt werden. Vor vier Jahren erreichten sie bereits, dass der damalige Generalstaatsanwalt wegen Korruption zurücktreten musste. Aufgrund dieser Aktivitäten waren sie Repressionsmaßnahmen an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt. Sie wurden an andere Dienstorte versetzt, ihnen wurden neue Verantwortlichkeitsbereiche zugeordnet, ohne dass es dafür einen ersichtlichen Grund gegeben hätte, anderen wurde mit der Entlassung gedroht. Daher traten vier Mitglieder der Gruppe am 7. April in einen Hungerstreik, weil sie alle anderen Wege ausgeschöpft hatten.

Zunächst wurde der Hungerstreik von den Medien und der honduranischen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, auch die sozialen Bewegungen leisteten wenig Unterstützung. Erst als eine evangelische Kirche, die über einen Fernsehkanal und einen Radiosender verfügt, das Thema aufgriff und ausführlich darüber berichtete, drang es in die öffentliche Berichterstattung vor. Ab diesem Zeitpunkt gab es eine breite Unterstützungsbewegung für die Hungerstreikenden. Neben mehreren kirchlichen Würdenträgern stiegen auch AktivistInnen aus der sozialen Bewegung und Organisationen von AnwältInnen und RichterInnen in den Hungerstreik ein, um die Forderungen der StaatsanwältInnen zu unterstützen. In vielen Städten gab es Menschen, die sich mit dem Hungerstreik solidarisierten, in El Progreso, Tocoa, Sta. Rosa de Copán begannen Menschen Solidaritätshungerstreiks, in anderen gab es Demonstrationen und Aktionen. Zeitweise befanden sich sieben AnwältInnen des Ministerio Público und mehr als 50 Personen aus der sozialen Bewegung im Hungerstreik.

Die wichtigste Forderung war die Wiederaufnahme mehrerer Fälle von Korruptionsanklagen, die auf Anweisung des Generalstaatsanwaltes Rosa Bautista in die unterste Schublade verschoben und nicht weiter verfolgt worden waren. Neben der gegen den ehemaligen Präsidenten Callejas betrifft dies z.B. eine Klage gegen die Präsidentin des höchsten Gerichtshofes, in mehreren Fällen Irregularitäten begangen zu haben. Der Generalstaatsanwalt unterhält enge Beziehungen zur Bergbauindustrie und war auch zeitweise Berater des Verbands der Minenunternehmen ANAMIN (Asociación Nacional de Mineros). Er sorgt dafür, dass Klagen gegen die Bergbauindustrie nicht verfolgt werden. In einem Fall ergaben Untersuchungen, dass die AnwohnerInnen in der Nähe eines Bergbaugebietes Bleivergiftungen hatten. Das Ministerio Público hätte eine Stellungnahme abgeben müssen, dass diese Vergiftungen Folge des Bergbaus in der Region sind. Doch das tat es nicht, sondern sorgte für Verzögerungen, wo es ging. Weitere Forderungen waren ein Sozialaudit im Ministerio Público, keine Repression und arbeitsrechtliche Verfolgung gegen die hungerstreikenden StaatsanwältInnen, Absetzung des Generalstaatsanwaltes für die Dauer der Untersuchung der zurückgehaltenen Fälle. Es soll eine Untersuchungskommission gebildet werden, um die Fälle zu evaluieren und monatlich gegenüber der honduranischen Öffentlichkeit Bericht zu erstatten. 

Am 14. Mai fand ein landesweiter Streik statt, mit dem der Hungerstreik beendet wurde, um die Auseinandersetzung auf eine andere politische Ebene zu heben. Als Zugeständnis der Regierung wurde eine Untersuchungskomission aus fünf Abgeordneten eingesetzt, die die unterbreiteten Fälle auf vollständige Dokumentation überprüfen sollte. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die zu untersuchenden 40 Fälle Formfehler aufweisen und keineswegs absichtlich zurückgehalten oder verzögert wurden. Daher gäbe es auch keinen Grund für die Forderung nach einem Rücktritt des Generalstaatsanwaltes. Von den fünf Parlamentariern, die die Komission bildeten, hat ein Abgeordneter der Christdemokratischen Partei den Bericht nicht unterschrieben. Der Kongress hat den Bericht mit nur vier Enthaltungen angenommen. 

Unabhängig von diesem unbefriedigenden vorläufigen Ergebnis hat der Hungerstreik bewirkt, dass die soziale Bewegung in Honduras aus ihrer Resignation erwacht ist und sich geschlossen in das politische Geschehen einmischt. Die Menschen haben gemerkt, dass die Forderungen der StaatsanwältInnen nicht nur ein internes Problem im Ministerio Público sind, sondern grundlegende Fragen von Gerechtigkeit aufgreifen.