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Sista P.

Die jamaicanische Premierministerin Portia Simpson-Miller
Hans-Ulrich Dillmann

Nachdem Portia Simpson-Miller, die Spitzenkandidatin der sozial- demokratischen Nationalen Volkspartei (People's National Party – PNP), in der Nacht des 29. Dezember 2011 die rivalisierende konservative Jamaicanische Arbeiterpartei (Jamaican Labour Party – JLP) vom Regierungsthron gestürzt hatte, machte die 66-Jährige in den folgenden Tagen zwei schier revolutionäre Ankündigungen. Sie könne sich vorstellen, verkündete die neue Chefin der drittgrößten Karibikinsel, Schwule und Lesben in ihr Kabinett zu berufen. „Ich habe keine Probleme, Homosexuelle in gewisse Führungspositionen zu berufen, sofern sie für diesen Posten qualifiziert sind.“

Ein Tabubruch in Jamaica, denn nach wie vor ist „Geschlechtsverkehr unter gleichgeschlechtlichen Partnern“ strafbar. Seit Jahren schon warnt die deutsche Botschaft BundesbürgerInnen auf ihrer Webseite beim Besuch Jamaicas: „Ein großer Teil der Bevölkerung ist Homosexuellen gegenüber feindlich eingestellt.“
Am 5. Januar dieses Jahres erklärte die neue Regierungschefin vor dem neugewählten Parlament, in dem die PNP mit 42 Sitzen eine Zweidrittelmehrheit vor der JLP (21 Abgeordnete) besitzt, dann das baldige Ende der Monarchie des zum britischen Commonwealth gehörenden Landes. In Anwesenheit des Vertreters von Staatsoberhaupt Queen Elisabeth II. sagte Simpson Miller: „Wir müssen jetzt den Kreis der Unabhängigkeit schließen. Deshalb werden wir das Verfahren einleiten, die Monarchie zu beenden, um eine Republik mit einem eigenen Präsidenten als Staatsoberhaupt zu werden.“

Zwar wurde schon mehrmals angekündigt, der über dem Gouverneurspalast in Kingston flatternde Union Jack werde endgültig eingeholt, aber der Sozialdemokratin scheint es ernst zu sein, in die Geschichte des Landes als jene einzugehen, die Jamaica in eine „wirkliche Republik“ verwandelt – 50 Jahre nachdem das Land von Großbritannien aus dem Rechtsstatus einer Kronkolonie entlassen wurde. Die Erklärung zum Amtsantritt scheint keine einfache Rhetorik zu sein, denn auch zum Unabhängigkeitstag (6. August 1962) in diesem Jahr stand das Ende der Monarchie auf ihrer Agenda.

Die Frau mit der akkuraten Ponyfrisur gilt nicht gerade als eitel und übertrieben opportunistisch. Sie macht vielmehr einen eher unscheinbaren Eindruck bei ihrem öffentlichen Auftreten. Arroganz und Überheblichkeit gehören nicht zu den Attributen, die selbst politische Feinde der Sozialdemokratin zuschreiben. Die PNP-Regierungschefin hat sich trotzdem durchgesetzt. Mit dem Sieg bei den Dezemberwahlen belehrte sie innerparteiliche Skeptiker eines Besseren, die ihr keine Chance eingeräumt hatten, noch einmal Regierungschefin zu werden, nachdem sie 2007 nach nur 18 Monaten im Amt eine bittere Wahlniederlage hatte einstecken müssen.

„Sie wird oft unterschätzt“, sagte ihre enge Freundin, die ehemalige jamaicanische Senatorin Sandrea Falconer, die jetzt im Ministerpräsidentenbüro arbeitet. Vor allem wird sie aber als politische „Steherin“, als knallharte Parteisoldatin beschrieben, die über die Jahrzehnte die Kärrnerarbeit in der Nationalen Volkspartei geleistet und auf dem Weg durch die parteipolitische Institution dauerhafte und stabile Seilschaften formiert habe, auf deren Loyalität sie heute regierungspolitisch bauen könne.

Schon in den 70er-Jahren stieß die im Dezember 1945 geborene Simpson zur damals noch eher linksorientierten Volkspartei. Sie hat in Miami (Florida) öffentliche Verwaltung studiert und nach Parteieintritt schon bald politische Funktionen übernommen. 1976 wurde sie zum ersten Mal als Repräsentantin des hauptstädtischen South West St. Andrews Parish ins jamaicanische Parlament gewählt. Seitdem ist sie, mit vier Jahren Pause, als die PNP 1983 die Wahlen boykottierte, Abgeordnete ihres Stimmbezirks. Seit 1978 bekleidete sie zudem das Amt des Vizepräsidenten der Partei, seit 1989 war sie Ministerin meist in den Ressorts Arbeit und Soziales.

Dass sie sich erfolgreich in all den Jahren vernetzt hatte, zahlte sich 2005 aus, als der starke Mann der PNP und Premierminister des Landes, Noel Percival James „P. J.“ Patterson, einen Nachfolger suchte. Nach harten parteiinternen Machtauseinandersetzungen beerbte Simpson-Miller im Februar 2006 Patterson und übernahm auch den Posten des höchsten Regierungsamtes. Sie wurde damit Jamaicas erster weiblicher Regierungschef.

Der Vertrauensvorschuss war jedoch bald aufgebraucht. Auch unter der Ägide von „Sista P.“, wie Portia Simpson-Miller genannt wird, blühten Vetternwirtschaft und Korruption, lediglich die Arbeitslosigkeit blieb bei 2,8 Millionen Einwohnern stabil hoch. Als sie nach nur knapp einem Jahr an der Regierungsspitze ihr Glück in Neuwahlen suchte, zog sie gegen den wirtschaftsliberalen Bruce Golding den Kürzeren. Aber die enge und öffentliche Verknüpfung ihres politischen Kontrahenten Golding mit in den USA gesuchten Großdealern spielte „Sista P.“ erneut in die Hände – als „Sauberfrau“ und Unabhängigkeitsverfechterin. Manche politischen Beobachter munkeln sogar, die Sozialdemokratin greife schon nach höheren Ämtern und wolle ihre politische Karriere mit dem repräsentativen Posten eines ersten jamaicanischen Staatsoberhauptes krönen.