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Demokratischer Skandal und überwältigende Solidarität

Nachbetrachtung zu Blockupy 2013
Werner Rätz

Organisatorisch war vieles in diesem Jahr sehr viel besser vorbereitet als 2012. Vor allem das Camp war beeindruckend, die Stimmung entsprechend gut. Die technische Seite der Aktionen hat ebenso gestimmt wie die Informationsarbeit nach innen und außen. Allerdings ist das Bündnis politisch nicht wirklich breiter geworden, obwohl es viele Bemühungen diesbezüglich gab und es mit dem Dazukommen des Netzwerks Friedenskooperative und dem eigenen Gewerkschafteraufruf auch einzelne Erfolge gab.

Die zahlenmäßige Beteiligung an Blockupy 2013 kann nicht zufriedenstellen. Zwar waren bei den Aktionen Zivilen Ungehorsams wie erwartet einige Tausend Menschen, aber der erhoffte Zustrom blieb aus. Die Demo war deutlich kleiner als im letzten Jahr. Auch aus anderen europäischen Ländern waren weniger AktivistInnen nach Frankfurt gekommen als 2012, aber das hatte nachvollziehbare Gründe. Zum einen waren wir am Beginn der Mobilisierung davon ausgegangen, dass der europaweite Schwerpunkt in diesem Jahr der EU-Gipfel im März in Brüssel sein würde. Erst danach gab es eine Umorientierung mancher internationals auf Frankfurt. Zum anderen fanden viele eigenständige Mobilisierungen für den 1. Juni in verschiedenen Ländern statt, die sich solidarisch auf Blockupy bezogen haben und wir uns ebenso auf sie. Damit hat sich die europaweite Kooperation eher verstärkt. Blockupy ist inzwischen tatsächlich in rudimentärer Form zu einem europäischen Akteur geworden. Das wurde auch an dem engen Bezug praktisch aller Anwesenden auf dem Alter Summit in Athen (7. bis 9. Juni 2013) auf Blockupy deutlich. Blockupy 2014 wird definitiv europäisch sein.

Anders als 2012 gab es dieses Mal schon im Vorfeld der Aktionen eine gewisse mediale Aufmerksamkeit für das Ereignis. Das führte zu einer ganzen Reihe von Berichten über die Folgen der Krisenpolitik. Meine Aussage auf der Pressekonferenz am Montag vor den Aktionstagen, dass die Austeritätspolitik tötet, wurde breit zitiert. So konnten die Aktionen am Freitag vor einer inhaltlich zumindest teilweise sensibilisierten Öffentlichkeit stattfinden. Dabei waren vor allem die Aktivitäten in der Zweiten Welle hilfreich, die das globale Abschieberegime, internationale Textilproduktion, Wohnungsnot, Landgrabbing und Nahrungsmittelspekulation thematisierten, weil sie unsere Kritik plastischer und greifbarer machten. Zu Beginn der Aktionstage war denn auch die Stimmung der AktivistInnen trotz morgendlichen Dauerregens glänzend, die verschiedenen Aktionen waren alle gelungen, und das öffentliche Lob fiel einhellig aus.

Unsere Einschätzung, dass es gegen diese positive und weitgehend auch inhaltliche Darstellung unseres Anliegens in den Medien schwierig sein würde, die Demonstration am Samstag anzugreifen, erwies sich jedoch als Irrtum. Offensichtlich sollten mit dem martialischen Auftreten der Polizei diese Inhalte unsichtbar gemacht werden. Das ist weitgehend misslungen, die inhaltlichen Fragen bleiben ein Thema. Selbst in der Bildzeitung war die Rede von den dramatischen Folgen der europäischen Krisenpolitik für die Menschen in Südeuropa. Der Streit um diese Politik ist inzwischen auch in der deutschen Öffentlichkeit angekommen.

Das Blockupy-Bündnis hatte sehr viel Zeit und Kraft auf die Erarbeitung eines Aktionskonsenses verwandt, der allen Beteiligten Einiges abverlangte und ziemlich detailliert festhielt, welche Regelüberschreitungen gemeinsam getragen würden. Im Prinzip hieß das, keine isolierte Militanz einzelner Gruppen oder Personen und keinerlei Distanzierung. Diese Verabredung kam nicht, wie einige befürchtet hatten, bei den Aktionen Zivilen Ungehorsams unter Druck, sondern bei der Demonstration. Und sie hat absolut gehalten: Bei den fast 1000 Menschen im Polizeikessel am 1. Juni und allen anderen Demo-TeilnehmerInnen bewegte sich das Verhalten trotz massiver Polizeiübergriffe vollständig im abgesprochenen Rahmen. Gleichzeitig wäre während des neunstündigen Geschehens niemand auf die Idee gekommen, die Demo fortzusetzen, solange der Kessel existierte. Diese Solidarität untereinander hatte die Polizeiführung offensichtlich völlig falsch eingeschätzt. Das war eine der beiden wesentlichen Voraussetzungen für die anschließende umfassende mediale Aufmerksamkeit und die eindeutig gegen die Polizei gewandte Berichterstattung. Die andere war, dass auch Journalisten eingekesselt worden waren.

Dennoch ist es wieder einmal die Frage nach der Demokratie, die den Aufhänger für Solidarität bildet. Es ist gut, dass diesmal alle politischen Kräfte links von CDU und FDP Blockupy verteidigen, aber zugleich auch unehrlich, weil SPD und Grüne nicht nur inhaltlich die autoritäre Krisenpolitik mittragen, sondern speziell die Frankfurter und die hessischen Grünen alle ihre Möglichkeiten, den demokratischen Skandal um die Demo zu verhindern oder hinterher zumindest anständig aufzuarbeiten, ausgelassen haben. Dagegen hat die hessische Linkspartei eine absolut solidarische Rolle gespielt und ihr Wiedereinzug in den Landtag wäre für Blockupy 2014 sehr wichtig.

Werner Rätz ist ila-Redakteur und Mitorganisator von Blockupy.

Mit dem Angriff auf die Blockupy-Demonstration am Samstag, den 1. Juni, sollte das Bündnis gespalten und die Bewegung kriminalisiert werden. Auch wenn ein Teil des antikapitalistischen Blocks gekesselt war, Hunderte Menschen von der Polizei geschlagen und verletzt wurden und dadurch die Demonstration nicht stattfinden konnte – die Solidarität und die Einigkeit der Aktivisten war stärker. Alle haben es gesehen: Die Verarmungspolitik der Troika, um das kapitalistische System zu stabilisieren, wird mit autoritärer Politik gegen oppositionelle Bewegung durchgesetzt.