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Vom vorhersehbaren Scheitern eines Weltkongresses zu Kinderrechten

Manfred Liebel

Der VI. Weltkongress zu Kinderrechten, der mit vorwiegend lateinamerikanischer Beteiligung vom 12.-14. November 2014 in der mexikanischen Stadt Puebla stattfand, war überschattet von einer Welle von tödlichen Verbrechen an Jugendlichen und Kindern in Mexiko, in die auch Staatsorgane verwickelt sind. Als eines von drei Hauptthemen stand neben „Migration“ und „Internet“ das Thema „Gewalt gegen Kinder“ auf der Tagesordnung des Kongresses. Doch wer gehofft hatte, es werde in den Beiträgen auch auf die gravierenden Menschen- und Kinderrechtsverletzungen im Gastgeberland Bezug genommen, sah sich getäuscht. Selbst der aktuelle Fall eines 13-jährigen Jungen, der vier Monate zuvor in der Nähe von Puebla durch eine Polizeikugel getötet wurde, blieb tabu. Die Mutter des Jungen, die den Veranstaltern ihren Fall vortragen wollte, wurde auf Anordnung der Regierung des Bundesstaates Puebla des Saales verwiesen. Einige TeilnehmerInnen, die sie bei ihrem Vorhaben unterstützt hatten, mussten vorzeitig abreisen, da sie sich von den „Sicherheitsorganen“ bedroht sahen.

In diesem Umfeld war es schwer vorstellbar, dass der Anspruch des Kongresses, ein unabhängiges wissenschaftliches Forum zur Theorie und Praxis der Kinderrechte zu sein, hätte eingelöst werden können. Der Hauptveranstalter, das zivilgesellschaftliche „Mexikanische Netzwerk für Kinderrechte (REDIM)“, hatte sich aus Naivität oder Fahrlässigkeit bereits im Vorfeld in die Abhängigkeit der Regierung des Bundesstaates Puebla begeben, die den Kongress zu einem erheblichen Teil mit finanzierte. Aber er hatte auch versäumt, ein Veranstaltungskonzept zu entwickeln, das einen lebendigen Austausch zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ermöglicht hätte. Neben der Hauptveranstaltung, an der etwa 1000 Erwachsene teilnahmen, wurde davon abgeschottet ein sogenannter Kinderkongress durchgeführt, auf dem von wenig kompetenten Moderatoren mit etwa 100 Kindern (vornehmlich aus Mexiko) belanglose Übungen zu Kinderrechten abgehalten wurden. Beim Hauptkongress durfte zwar an einigen Podiumsveranstaltungen jeweils ein namenlos bleibendes Kind mit am Tisch sitzen, aber es wurde an keinem Ort mit Kindern, sondern nur über die Kinder und ihre Rechte geredet.

Erst auf der Schlussveranstaltung kamen einige Kinder und Jugendliche zu Wort. Es war gewiss kein Zufall, dass sie sich hier darüber beschwerten, auf dem Kongress nicht ernst genommen worden zu sein. Sie griffen auch, was vorher keiner der erwachsenen Hauptredner gewagt hatte, den Fall des getöteten Jungen auf und stellten die Regierung von Puebla zur Rede. Es ist zu bedauern, dass der Kongress schon vom Konzept her die Kinderrechte nur in paternalistischer Weise abhandelte und letztlich sogar von einer autoritären und korrupten Regierung als Propagandashow missbraucht werden konnte.