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Es geht hier wie dort nur um Profite

Interview mit Jens Fischer vom Bündnis Gegenstrom in Hamburg über ihre Aktionen gegen Kohleimporte aus Kolumbien

In Europa haben sich vielerorts Aktionsgruppen und Bündnisse gegen die Förderung und Verbrennung von Kohle in Kraftwerken gebildet, schließlich entsteht bei der Verstromung von Braunkohle der höchste und bei Steinkohle der zweithöchste CO2-Ausstoß pro erzeugter Kilowattstunde von allen Möglichkeiten der Stromerzeugung. In Deutschland wird der meiste Kohlestrom mit heimischer Braunkohle produziert. Deshalb lag der Schwerpunkt der Aktionen der Umwelt- und Klimaaktionsgruppen in der letzten Zeit in den Braunkohlerevieren in der Lausitz und im Rheinland (vgl. Interview mit EndeGelände! in dieser ila). Anders als in den Braunkohleanlagen wird in den Steinkohlekraftwerken sowohl einheimische als auch importierte Kohle verfeuert. Zu den Kraftwerken, die hauptsächlich eingeführte Kohle, unter anderem aus Kolumbien, verbrennen, gehört Moorburg bei Hamburg. Das Bündnis Gegenstrom mobilisiert schon seit der Planung gegen das vom schwedischen Vattenfall-Konzern betriebene Kraftwerk und gegen die Kohleimporte aus Kolumbien. Antje Vieth von Radio Onda führte mit Jens Fischer von Gegenstrom ein Interview über ihre Arbeit, aus dem wir im Folgenden die Passagen über die Gegenstrom-Aktionen gegen Kohleimporte aus Kolumbien ausgewählt und bearbeitet haben.

Antje Vieth

Ihr mobilisiert seit Jahren gegen das Kohlekraftwerk Moorburg, das von der Politik und vom Betreiber, dem Vattenfall-Konzern, als modern und umweltfreundlich beschrieben wird...

Das Kraftwerk Moorburg ist zwar einerseits supermodern, mit einem für Steinkohle hohen Wirkungsgrad von 46,4 Prozent, aber trotzdem ist die Kohleverstromung eine Technologie aus dem letzten Jahrhundert mit enormem Schadstoffausstoß. Bei Volllastbetrieb schmeißt Moorburg CO2-Emissionen in Höhe von 8,7 Millionen Tonnen raus, das sind zwischen 30 bis 40 Prozent der gesamten Emissionen hier in Hamburg. Dazu kommen noch die ganzen Stickoxide und Feinstäube. Bei Volllast werden in Moorburg täglich 12 000 Tonnen Kohle verfeuert.

Wo kommt die Steinkohle her?

Die Steinkohle wird komplett importiert, vor allem aus Russland, Südafrika und Kolumbien. Als klar wurde, dass Vattenfall die Kohle unter anderem in Kolumbien kauft, haben wir 2013 die symbolische Hafenblockade organisiert. Im Rahmen des Hafengeburtstags haben wir bei der symbolischen Blockade mit 20 Schiffen über eine Stunde die gesamte Elbe blockiert. Das Kraftwerk Moorburg hat einen eigenen Anleger, wo Schiffe anlegen können, die 60 bis 70 Tausend Tonnen Kohle geladen haben. Die Aktion stand unter dem Motto „Kein Strom aus Moorburg, keine Kohle aus Kolumbien“. Neben der Blockadeaktion der Schiffe gab es an Land ein buntes Kulturprogramm mit vielen Redebeiträgen. Außerdem sind Banner entrollt worden, insgesamt 68 Meter lang!

Zu der Aktion hatten wir auch Leute aus Kolumbien eingeladen, eine Vertreterin der Value-Indígenas und ein Vorstandsmitglied der Minenarbeitergewerkschaft Sintracarbon. Besonders toll fanden wir, dass in Bogota parallel eine Kundgebung vor dem Umweltministerium und ein dickes Konzert stattfanden. Zu der Kundgebung in Kolumbien hatten 15 Organisationen aufgerufen, darunter waren Gewerkschaften, Basisgruppen, Umweltinitiativen, Opferorganisationen, KünstlerInnen, Studierende.

Über die Arbeit wurde uns klar, was für gravierende Folgen der Kohle- und sonstige Bergbau in Kolumbien hat. Schaut man sich die Statistiken an, folgt Kolumbien dem Sudan als Land mit den meisten Binnenflüchtlingen. 5,2 Millionen habe ich hier als Zahl. In Kolumbien sind in den letzten
15 Jahren 2000 Gewerkschafter ermordet worden.

Nach der symbolischen Hafenblockade hat Vattenfall öffentlich verkündet, keine Kohle mehr aus Kolumbien zu importieren. Ob sie sich daran halten, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Nach unseren Beobachtungen hat seitdem kein Kohleschiff aus Kolumbien mehr in Moorburg angelegt. Wir können aber nicht ausschließen, dass kolumbianische Kohle aus Rotterdam im Kraftwerk angeliefert wird.

Wie kamt ihr zu den Kontakten in Kolumbien?

Einer von uns war zusammen mit jemand aus der Hamburger Kolumbiengruppe in den kolumbianischen Regionen, wo Steinkohle gefördert wird. Sie haben sich den Tagebau El Cerrejón angeguckt, Kontakte geknüpft und die erwähnten Leute nach Hamburg eingeladen.

Was in Kolumbien abläuft, ist ziemlich katastrophal. In El Cerrejón ist eine Fläche von 69 000 Hektar zum Abbau freigegeben; nur zum Vergleich, die Stadt Hamburg hat eine Fläche von 75 000 Hektar. El Cerrejón hat eine Jahresausbeute von 32 Millionen Tonnen Steinkohle. Früher lebten auf dem Gelände rund 60 000 Menschen, die meisten waren Kleinbauern und -bäuerinnen. Die mussten alle weg, damit ein Unternehmen ordentliche Profite machen kann.
Ein Großteil der Steinkohleproduktion von El Cerrejón wird in die EU exportiert und dann in Steinkohlekraftwerken verbrannt. Ich finde es wichtig, nicht nur auf die Folgen der Kohleverstromung hier zu schauen, sondern auch die Zusammenhänge mit dem Abbau und der ganzen dadurch angerichteten Zerstörung zu sehen, mit all ihren Folgen für die Bevölkerung und die Umwelt. Dann müssen wir den Bogen schlagen, dass in den industrialisierten Ländern die Kohle verbrannt und der Klimawandel angeheizt wird, nur damit hier  die Profite sprießen.

Die schlimmsten Folgen der globalen Erwärmung werden dort eintreten, wo die Menschen am wenigsten dafür können. Ein Beispiel für Südamerika: Eine Folge der globalen Erwärmung ist das Schmelzen der Gletscher. Dazu nur ein paar Spotlights: In Venezuela sind die fünf noch verbliebenen Gletscher – 1952 existierten da noch zehn – seit 1980 um 95 Prozent geschmolzen, in Kolumbien sind acht von 14 Gletschern im letzten Jahrhundert verschwunden. Die vier Gletscher, aus denen die Wasserversorgung der Stadt La Paz in Bolivien überwiegend gespeist wird, sind zwischen 1975 und 2006 um 56 Prozent geschmolzen. Durch die beschleunigte Schmelze kommt derzeit zuviel Wasser aus den Bergen. Erdrutsche, Überschwemmungen, Überlaufen von Gletscherseen fordern immer wieder Opfer und zerstören Häuser und Felder. Wenn die Gletscher komplett geschmolzen sind, wird dann zu wenig Wasser aus den Bergen kommen, mit kaum absehbaren Folgen für Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft oder die Elektrizitätsgewinnung aus Wasserkraftwerken. Das andine Hochland droht zu verwüsten, die Menschen würden ihre Lebensgrundlage verlieren.

Wie versucht ihr die Kämpfe gegen die ökologische Zerstörung in den Förderregionen und den Klimawandel zusammenzubringen?

Diese Aktion auf der Elbe war für uns ein gutes Beispiel dafür, dass solche Widerstandsgeschichten auch international koordiniert und abgesprochen werden können, auf der einen Seite der Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe, auf der anderen Seite die Kämpfe der AktivistInnen in Kolumbien, wo den Menschen in den Förderregionen ihre Existenzgrundlage zerstört wird, wo sie durch die Kohleförderung krank werden und wo ihnen Mord und Vertreibung drohen, wenn sie nicht von dort wegziehen, wo die Bergbaukonzerne Steinkohle abbauen wollen. Im Grunde genommen es geht letztlich darum, die fossilen Bodenschätze aus der Erde zu holen, um damit dicke Profite zu machen. Die Energieversorgung ist anders möglich.

Wir haben aber tatsächlich nur eine Chance, wenn wir das weltweite Problem des Klimawandels gemeinsam angehen, also weltweit zusammenarbeiten. Da gibt es viele Ansätze, in den USA und in Kanada der Kampf gegen Fracking und Förderung von Ölsand, in Bangladesch kleinbäuerliche Aktionen gegen Klimawandel und Landverlust, in Australien die immer wieder stattfindenden Besetzungen von Kohlehäfen. Das zu koordinieren finde ich total wichtig, wenn wir eine Chance haben wollen gegen die Klimaveränderung. Dafür ist es höchste Zeit!

Das Problem ist, dass die großen Konzerne weltweit fördern, was sie kriegen. Was zählt, sind die Aktienkurse, und die hängen nicht nur von den aktuellen Geschäften ab, sondern vor allem davon, welche Zukunftsperspektive die Konzerne haben, und die hängt wiederum davon ab, was für einen Zugriff sie auf die knapper werdenden Rohstoffe haben. Im kapitalistischen Wirtschaftssystem geht es eben nicht darum, entsprechend den Bedürfnissen für ein gutes Leben für alle zu produzieren, sondern es geht darum, Profite zu realisieren und Wachstum zu generieren. Da müssen wir grundsätzlich etwas ändern. Wir müssen die Frage nach Macht und Eigentum stellen.

Noch mal eine andere Frage zu euren Aktionen im Hamburger Hafen. Was plant ihr da und woran könnt ihr erkennen, wenn Kohleschiffe ankommen?

Was wir perspektivisch vorhaben, ist, ganz real ankommende Kohleschiffe zu blockieren. Dazu beobachten wir den Schiffsverkehr. Im Internet gibt es dazu heute wunderbare Möglichkeiten. Zum Beispiel gibt es da die Liveshipsmap. Darüber ist es möglich, jedes Schiff, das eine bestimmte Größe hat, weltweit zu verfolgen. Da können wir auch sehen, welche Schiffe im Hamburger Hafen festmachen und können Informationen über diese Schiffe abrufen, zum Beispiel in welchen Häfen sie vorher festgemacht haben. Was nicht öffentlich zugänglich ist, ist die Ladung. Aber wenn Schiffe direkt am Kraftwerk Moorburg anlegen, dann ist klar, dass da Kohle drauf ist.

Das Gespräch führte Antje Vieth im September 2015 in Hamburg.