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Unter Correa ist die Vergangenheit zurückgekehrt

Gespräch mit dem ecuadorianischen Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta

„Ecuador hängt wieder am Tropf des Internationalen Währungsfonds, Privatisierungen und Flexibilisierungen der Arbeitsbeziehungen sind wieder hoffähig geworden“, stellt Alberto Acosta ernüchtert fest. Dabei gab Ecuadors Umgang mit der Verschuldungssituation vor knapp zehn Jahren noch Anlass zur Hoffnung. In der ersten Amtszeit Rafael Correas führte das Land eine auditoría durch, ein Schuldenaudit, in dem finanzielle, wirtschaftliche und juristische Aspekte der Verschuldungssituation Ecuadors samt der schädlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft untersucht und offengelegt wurden (vgl. „Immer nur zahlen, zahlen, zahlen“ in ila 336). Dieser Prozess fand weltweit Anerkennung und erlaubte dem Land eine Umschuldung von Teilen seiner Auslandsverpflichtungen. Alberto Acosta ist der Meinung, dass dieser Schritt nicht ausreichend war. Er erklärt im Gespräch mit der ila, warum in Ecuador die Schuldenfalle wieder zuschnappt, inwiefern Fehler des Entwicklungsmodells dafür verantwortlich sind und welche Alternativen es gibt, nicht nur für Ecuador.

Laura Held
Britt Weyde

Ecuador hat eine gewisse Pionierstellung, was den Umgang mit Schulden betrifft. Wie bewerten Sie den Prozess des Schuldenaudits in den Jahren 2007/2008?

Das war ein historischer und sehr wichtiger Schritt. Die Regierung ging damit auf eine Forderung ein, die die Zivilgesellschaft schon in den 80er-Jahren erhoben hatte. Eines der Kennzeichen der Auslandsverschuldung, weltweit, aber vor allem in Lateinamerika, ist die fehlende Transparenz. Über diese Prozesse werden keine Informationen veröffentlicht und im Endeffekt werden alle Regelungen hinter dem Rücken der Gesellschaft getroffen. Ein kurzer historischer Exkurs: Ecuador entsteht als unabhängige Republik im Jahr 1830. Bereits zu dem Zeitpunkt waren wir hoch verschuldet, weil wir Schulden gemacht hatten, um die Unabhängigkeitskriege zu finanzieren. Das war zur Zeit der spanischen Kolonialherrschaft mit Simón Bolívar an der Spitze der Unabhängigkeitskämpfe. So begann die ewige Krise der Auslandsverschuldung. Unter Präsident Rafael Correa wurde eine Kommission zur Durchführung eines Schuldenaudits eingerichtet, um mehr Transparenz über die Auslandsverschuldung der letzten 30 Jahre, also zwischen 1977 und 2007, zu erreichen. Eine fantastische Sache! Das Traurige daran ist, dass diese Regierung, die jenen historischen Schritt tat, über ihre Schulden, die sie selbst gemacht hat, keinerlei Transparenz zulässt. Und sie hat viele Auslandskredite aufgenommen, viel größere Summen als in allen anderen Epochen zuvor! Zurück zum Schuldenaudit. Die Regierung erreichte vor knapp zehn Jahren die Feststellung, dass alle Schuldentranchen, die bilateralen bei den Regierungen, die multilateralen bei Kreditinstitutionen als auch die Handelsschulden, illegale und illegitime Elemente aufwiesen. So steht es auch in den Berichten der Schuldenauditkommission. Das erlaubte es der Regierung, Globalbonds1 mit einer Laufzeit von 12 beziehungsweise 30 Jahren neu zu verhandeln. Die Regierung stellte die Zahlungen dafür ein und erreichte eine Umschuldung mit einem Schuldenschnitt in Höhe von 65 Prozent. So wurde Ecuador einen beträchtlichen Teil der Schuldensumme los. Das war ein großes Verdienst. Man kann darüber diskutieren, ob die Höhe des Schuldenschnitts ausreichend war oder nicht, einige sagen, dass sie nicht ausreichend war, weil es sich um illegitime Schulden handelte, die überhaupt nicht zurückgezahlt werden sollten. Doch die wichtigste Kritik bezieht sich auf die Tatsache, dass die Regierung die Globalbonds mit einer Laufzeit von 15 Jahren weiterbezahlte. Im Dezember 2015 waren sie endlich abbezahlt. Allerdings wurden dafür die Sozialausgaben geopfert, und das inmitten einer schweren Krise, die das Land gerade durchmacht. Warum hat die Regierung diese Globalbonds mit 15-jähriger Laufzeit bezahlt? Diese Bonds waren ausgegeben worden, um die anderen mit 12 beziehungsweise 30 Jahren zu begleichen, das heißt, sie hatten also den gleichen illegalen und illegitimen Charakter! Und: Wenn die Regierung Belege dafür hatte, auch die multilateralen und bilateralen Schulden in Frage zu stellen, warum hat sie das nicht getan? Warum hat es die Regierung nicht geschafft, den durch das Schulden- audit angestoßenen Prozess weiter zu vertiefen, indem sie etwa Prozesse gegen die Gläubiger, vor allem in den USA, angestoßen hätte? Eine Gruppe von US-Anwälten riet der Regierung aufgrund der illegalen und illegitimen Elemente sogar, solche Prozesse anzustrengen, selbst nach der Rechtsprechung der Gläubigerländer, in diesem Fall der USA. Aber die Regierung wollte das nicht. Sie spielte zwar der ecuadorianischen Staatsanwaltschaft Dokumente zu, um die ecuadorianischen Unterhändler dieser illegitimen Schulden gerichtlich zu belangen, aber es passierte absolut nichts. Die Unterhändler der Schulden sind ja ebenfalls für den schlechten Umgang mit den Schulden verantwortlich, nicht nur die Gläubiger. Es gibt eine lange Liste mit Situationen, die aufzeigen, dass es sogar eine Komplizenschaft zwischen den Gläubigern und den Unterhändlern der vorherigen ecuadorianischen Regierungen gab. Das Schuldenaudit war also ein historischer Schritt; allerdings ging es nicht weit genug, denn es fehlte der politische Wille, den Prozess zu vertiefen.

Gab es bei der Umschuldung auch Akteure, wie etwa die „Geierfonds“ in Argentinien, die sich nicht daran beteiligten?

Nein, die Abkommen wurden auf eine sehr intelligente Art und Weise getroffen und nur ein sehr kleiner Teil, der nicht genügend Gewicht hat, um seine Position durchzudrücken, beteiligte sich nicht daran. In Ecuador sind andere Dinge besorgniserregend: die fehlende Transparenz und die Tatsache, dass wir wieder zum Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgekehrt sind. Der Präsident der Republik hat die Banken und vor allem die Weltbank und den IWF immer wieder kritisiert. Auf einem Treffen der UNASUR in Paraguay vor etwa drei Jahren verließ Präsident Correa unter Protest den Saal, weil die Vizechefin der Weltbank sprechen sollte. Er sagte, die Weltbank solle sich zuerst bei Lateinamerika entschuldigen, weil sie das ganze

Debakel verursacht habe. Doch seit 2014 arbeitet die Regierung wieder mit der Weltbank und dem IWF zusammen. Das hat sie sehr geschickt eingefädelt. Die Weltbank gestand der Regierung eine Erweiterung der Kreditlinie zu, von 500 auf 1000 Milliarden US-Dollar, und der IWF verfasste 2014 eine Analyse der wirtschaftlichen Situation Ecuadors, ohne jedoch eine Delegation zu entsenden. Diese Mission machte ihre Arbeit von außerhalb, womit das Bild aufrechterhalten werden konnte, dass die Regierung immer noch Abstand zu IWF und Weltbank halte. Doch die Regierung selbst wandte sich 2014 an den IWF, um seine Genehmigung zu bekommen, um Anleihen in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar zu emittieren, unter dem Namen Bonos 2020, mit einem Zins von 8,5 Prozent. Hier stellt sich die Frage, wie es die Regierung geschafft hat, sich langsam wieder am internationalen Finanzmarkt zu platzieren, und das mit sehr hohen Zinssätzen. In dieser Zeit vermachte die Regierung über die Hälfte der Goldreserven des Landes an Goldman Sachs. Sie stellte etwa 600 Millionen US- Dollar als Garantiefonds für einen Kredit über 400 Millionen US-Dollar bereit. Außerdem hat die Regierung in großem Umfang Erdöl im Voraus an China verkauft.

Warum hatte Ecuador das zu diesem Zeitpunk nötig? Da sprudelten doch noch die Exporteinnahmen, weil der Erdölpreis höher war.

Die ecuadorianische Wirtschaft war schon vorher in Schwierigkeiten geraten, nämlich ab 2009/2010, was sich vor allem im steigenden Haushalts-, Leistungsbilanz- und Handelsbilanzdefizit zeigte. Deshalb war Ecuador im Jahr 2014 auf neue Finanzierungsquellen angewiesen und emittierte die bereits erwähnten Anleihen, händigte das Gold aus und bekam neue Kreditlinien von China. Ecuadors Schulden bei China sind sehr hoch: rund 6,5 Milliarden US-Dollar. So war bereits 2015 die weitere Schuldenaufnahme bei China für Ecuador nicht mehr möglich und das Land gab weitere Anleihen aus, zweimal, jeweils in Höhe von 750 Millionen US-Dollar. Bei der ersten Emission galt für diese Bonds eine Laufzeit von fünf Jahren und ein Zinssatz von 10,5 Prozent. Warum? Weil Ecuador nach der Umschuldung einige Jahre zuvor vom internationalen Finanzmarkt ausgeschlossen worden war. Das ist der Preis für den Schuldenschnitt. In Wahrheit werden für diese Bonds sogar Zinsen in Höhe von 13 Prozent fällig, weil die Bank, die als Zwischenhändler tätig ist, die Citibank, zunächst keine Abnehmer für diese Anleihen fand. Bei der zweiten Emission beträgt der Zinssatz 8,5 Prozent.

Nach dem verheerenden Erdbeben im April hat sich Ecuador noch weiter an den IWF angenähert, sodass Themen wie Privatisierungen, Flexibilisierungen, kurz, die ganze Palette der Strukturanpassungsmaßnahmen des Washington Consensus, wieder angesagt sind. Unter Rafael Correa ist die Vergangenheit zurückgekehrt.

Die Staatsschulden sind eine Zeit lang zurückgegangen, um dann wieder anzuwachsen. Ebenso ist der Schuldendienst in den letzten Jahren wieder gestiegen. Die Schuldensumme insgesamt ist im Verhältnis zum BIP nicht so schwerwiegend wie früher. Im Jahr 2000 machten die internen und externen Schulden etwa 124 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, 100 Prozent die Auslandsschulden, 24 Prozent die internen Schulden. Heutzutage machen die Schulden dagegen 37 Prozent des BIP aus. Das Problem ist, dass die Beträge so hoch wie nie zuvor sind. Die Hauptgläubiger sind China, die Interamerikanische Entwicklungsbank BID sowie die Corporación Andina de Fomento (CAF). Außerdem hat die Regierung begonnen, Erdöl zu verkaufen, um damit Schulden zu begleichen. Hinzu kommt, dass das Finanzministerium Anleihen emittiert, die von der Zentralbank gekauft werden, sodass die internen Schulden steigen. All diese Entwicklungen finden statt, obwohl Ecuador in der Periode, von der wir sprechen, die höchsten Einnahmen seiner ganzen Geschichte hatte. Die Regierung von Rafael Correa erfreute sich eine Zeit lang breiter Unterstützung von Seiten der Bevölkerung, aber auch das ist zurückgegangen. Die Regierung konnte sich auf einen verfassungsrechtlichen Rahmen berufen, der ihr weitgehende Transformationen erlaubt hätte, doch das nutzte sie nicht. Die Produktionsstruktur des Landes ist nicht verändert worden; wir sind nach wie vor ein Land, das Rohstoffe fördert und exportiert. Und die Regierung verstärkt diesen Extraktivismus, sie dehnt die Erdölfördergebiete aus, unter anderem im Nationalpark Yasuní, sie ermöglicht es, dass Bergbauunternehmen ihre Großtagebauprojekte jetzt auch in Ecuador aufziehen, fördert die Monokulturen. Oder, wie es ein internes Regierungsdokument feststellt: „Den mächtigsten Wirtschaftsgruppen ist es nie besser, den Armen im Land nie schlechter gegangen.“ Diese Regierung also, die am meisten Mittel und Zeit hatte – bald werden es zehn Jahre Amtszeit sein – sowie den größten Rückhalt in der Bevölkerung und einen günstigen Verfassungsrahmen, hat das nicht genutzt und dieses Jahrzehnt verschwendet. Es ist zwar kein „verlorenes“ Jahrzehnt, schließlich ist die Armut bis zum Jahr 2014 auch zurückgegangen, aber es hat keine Umverteilung des Reichtums stattgefunden, lediglich die Einnahmen sind umverteilt worden. Und die großen Unternehmen fahren nach wie vor hohe Gewinne ein und haben eine sehr starke, oligopolistische Position am Markt.

Warum hat die Regierung die günstige historische Situation nicht ausgenutzt und ist stattdessen den üblichen Weg gegangen?

Weil sie niemals eine wahre Transformation, eine Revolution wollte. Das war purer Diskurs. Die Rede war von Sozialismus, doch was passierte? Extraktivismus und eine Modernisierung des Kapitalismus. Correa hat das sogar so gesagt: Er wollte keinen Wandel anstoßen, der die Reichen angreift. Der Präsident wollte Veränderungen erreichen, und zwar sehr schnell, und dafür brauchte er Finanzierung, die er von China bekam. China ist zurzeit der größte Kreditgeber in ganz Lateinamerika, vor allem für Venezuela, Argentinien und Ecuador.

Das große Problem hierbei ist, dass zehn Jahre vergangen sind und sich nichts geändert hat: Wir haben die gleiche Produktionsstruktur. Gut, in den Straßenbau wurde viel investiert, ebenso in Wasserkraftwerke, in den Bildungs- und Gesundheitssektor, aber es war kein struktureller Wandel. Beispiel Gesundheit: Hier wurde viel investiert, aber das ganze Geld ging in die privaten Krankenhäuser und Apotheken! Die Regierung schaffte es nicht, eine solide staatliche medizinische Infrastruktur aufzubauen oder die Zivilgesellschaft und sozialen Organisationen zu befähigen, selbst Träger eines Gesundheitssystems zu sein. Es gab keinen qualitativen Wandel im Gesundheitsbereich.

Dieses Problem betrifft alle Bereiche. Im Hinblick auf die Landwirtschaft hat die Regierung die Großgrundbesitzer, und nicht die Kleinbauern, begünstigt. Diese Regierung hat sich an einige Versprechen nicht gehalten, etwa die Ankündigung ganz zu Anfang, dass Ecuador niemals ein Freihandelsabkommen (TLC) mit der EU abschließen werde und jetzt ist der Vertrag unterschriftsreif. Die Regierung wandte sich anfangs gegen Privatisierungen, um genau diese jetzt zu betreiben. Da ist zum Beispiel das Gesetz für Public Private Partnerships (PPP) oder die Idee, die Tankstellen des staatlichen Erdölunternehmens Petro Ecuador zu verkaufen. Nach dem Erdbeben wurde vorgeschlagen, die Wasserkraftwerke zu privatisieren, die Fluggesellschaft wird verkauft. Die großen Erdölfördergebiete wurden den transnationalen Unternehmen ausgehändigt. Diese Regierung hatte sich ursprünglich gegen Flexibilisierungen im Arbeitsbereich gestellt, doch letztes Jahr ließ sie sie zu. Oder die Steuern: Anfangs propagierte die Regierung, direkte Steuern zu erhöhen und nicht die indirekten, etwa die Mehrwertsteuer, die ja die ärmeren Schichten stärker belasten. Nach dem Erdbeben wurde die Mehrwertsteuer von 12 auf 14 Prozent erhöht. Kurz: Correa widerspricht sich selbst in allem, was er anfangs behauptete. Was ich wirklich bitter finde, ist die Tatsache, dass Correa die sozialen Bewegungen so geschwächt hat. Fast 400 soziale AktivistInnen sind juristisch belangt und somit kriminalisiert worden. Dabei sind es die sozialen Bewegungen gewesen, die diese Regierung überhaupt ermöglicht haben! Correa verfolgt und spaltet die sozialen Bewegungen und baut sich seine eigenen, ihm loyalen sozialen Bewegungen auf, von den Gewerkschaften über die Studierenden bis hin zu den Frauen und Indigenen. Wenn nun eine wirklich rechte Regierung an die Macht kommen würde, können die sozialen Bewegungen nur wenig entgegensetzen.

Welche Alternativen gibt es für Länder wie Ecuador im Hinblick auf ein Schuldenmanagement?

Wir haben eine Menge Vorschläge zu dem Thema gemacht, ich selbst arbeite ja seit 1982 zu Auslandsschulden. In der letzten ila zum Thema (ila 285 vom Mai 2005) stellte ich zusammen mit dem großen Schuldenexperten Oscar Ugarteche den Vorschlag für ein „Internationales Schiedsgericht für souveräne Schulden“ vor. Wir sind seit Jahrzehnten da dran, im Hinblick auf Lateinamerika, und nun sind die Schulden auch in Europa Thema. Und es passieren ähnliche Dinge. Dazu eine Anekdote: Am 11. März 2001 nahm ich an einer Öffentlichen Anhörung des Bundestages teil. Dort gab es eine Debatte über Auslandsschulden. Drei Personen waren Verfechter des orthodoxen Umgangs mit Auslandsschulden, ein Engländer und zwei Deutsche, ein Wirtschaftsprofessor und ein Bankenvertreter. Auf der anderen Seite waren der Österreicher Kunibert Raffer, ein Türke und ich. Das war eine hochinteressante Debatte. Wir sprachen über die Schulden der sogenannten Dritten Welt und wir verlangten ja schon seit langem einen anderen Umgang damit. Ich stellte vor den über 300 Bundestagsabgeordneten die Frage, warum wir nicht die gleiche Behandlung wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bekommen könnten, schließlich war Deutschland im Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 ein Großteil seiner Schulden erlassen worden. Viele reagierten erstaunt, weil sie dieses wichtige historische Detail gar nicht kannten. Warum können die Griechen nicht die gleiche Behandlung wie die Deutschen bekommen?

Ein Schuldenaudit allein reicht nicht aus. Es ist ein erster Schritt. Wir halten nach wie vor an unserem Vorschlag für ein Internationales Schiedsgericht für souveräne Schulden (TIADS – Tribunal Internacional de Arbitraje de la Deuda Soberana) fest, das in einem supranationalen, institutionellen Rahmen verankert sein muss. Diese Ideen sind bereits zwei Mal von den Vereinten Nationen angenommen worden – natürlich nicht von den großen Gläubigernationen USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, England. Aber sie stoßen auf immer breitere Akzeptanz. Die Idee besteht darin, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der es erlaubt, mit den Schuldenforderungen anders umzugehen. Für Privatpersonen gibt es ein Insolvenzrecht, für Staaten jedoch nicht. Außerdem bräuchten wir einen internationalen Finanz-Kodex. Zudem müssten bestimmte Elemente durchgesetzt werden: Schulden dürfen nicht zu einem Instrument der politischen und ökonomischen Beherrschung werden, dafür braucht es einen Rechtsrahmen, der sich auf die Normen des Rechtsstaats stützt. Es müssen gleiche Bedingungen für den Gläubiger und den Schuldner gelten. Die Verschuldung darf keine Auswirkungen auf die Sozialausgaben haben, in den USA ist das im Insolvenzrecht unter Kapitel 9 (für die Unternehmen) beziehungsweise Kapitel 11 (für Gemeinden) geregelt. Schließlich: Die Schuldenregelung muss die Zahlungsfähigkeit eines Landes gewährleisten. Wer legte damals den Betrag fest, den die Deutschen dem Londoner Schuldenabkommen zufolge zu zahlen hatten? Die Alliierten waren es nicht, nein, es war der Bankier Hermann Josef Abs, der für die deutsche Delegation mitverhandelte und sagte: Wir können diese Summe bezahlen. Und die Gläubiger verpflichteten sich, deutsche Produkte zu kaufen. Ich habe nicht mitbekommen, dass die Deutschen sich verpflichtet haben, griechische Produkte zu kaufen. Hinzu kommt ja auch, dass ein großer Teil der aktuellen griechischen Schulden odious debts („verabscheuenswürdige Schulden“) aus der Diktatur sind.

Die Banco del Sur war ja als alternative Finanzierungsquelle im Rahmen der Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR) geplant worden. Warum geht es da nicht weiter?

Aus einem ganz einfachen Grund: Brasilien hat einfach kein Interesse daran, weil sie ihre Entwicklungsbank BNDES haben, die größer als die Weltbank ist. In ihrer semi-imperialen Logik ist es für die Brasilianer wichtiger, ihre Politik zu kontrollieren. Und auch Argentinien war nicht so begeistert von der Initiative. Angesichts der aktuellen politischen Situation in den beiden Ländern wird wahrscheinlich noch weniger passieren. Das sind alles interessante Ideen, so auch der Fondo del Sur oder der SUCRE2, es war sogar mal die Rede von einem Tribunal über die Auslandsschulden, so auch in unserer Verfassung. In seiner Antrittsrede am 15. Januar 2011 sprach Rafael Correa lange über die Auslandsschulden. Aber heute wird kein Wort mehr darüber verloren. Jetzt, wo die offen neoliberalen Regierungen wieder übernehmen, noch weniger. Das sind alles ziemlich schlechte Aussichten.

  • 1. Verzinsliche Wertpapiere, die an internationale Anleger ausgegeben werden.
  • 2. Sistema Único de Compensación Regional, „Einheitli- ches System des regionalen Ausgleichs“ ist die gemeinsame Rechnungswährung der ALBA-Staaten für den gegenseitigen Handelsverkehr