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Digitale Demagogie

Rezension: Christian Fuchs ergründet den autoritären Kapitalismus in Zeiten von Trump und Twitter
Lars Weiß

Ein paar Fake News erstellen, russische Hacker engagieren, Daten ausspähen und zack, das mächtigste Land der Welt wählt einen autoritären Populisten an die Spitze. In etwas überspitzter Form ist dies die vorherrschende Analyse in den großen Medienhäusern und bei vielen liberalen Demokrat*innen. Nach dem propagierten „Ende der Geschichte“ wundern sich die Gewinner*innen des globalen Kapitalismus über den weltweiten Backlash, der nun wieder auf Nationalismus, Abgrenzung, Rassismus und Konkurrenz setzt. Dass die vorherige neoliberale Umstrukturierung des Kapitalismus mit diesem Backlash eng verbunden ist, wird von den klügeren Analyst*innen immer wieder betont. In diese Reihe stellt sich auch das umfangreiche Buch „Digitale Demagogie. Autoritärer Kapitalismus in Zeiten von Trump und Twitter“ von Christian Fuchs. Anders als viele Analysen zu Trump setzt Fuchs einen klaren theoretischen Rahmen, bei dem er sich der Schule der kritischen Theorie bedient. Mit unter anderem Wilhelm Reich, Theodor W. Adorno und Erich Fromm untersucht er die Grundlagen und Dynamiken autoritärer Entwicklungen. Dabei geht es einerseits um die Entwicklung eines autoritären Kapitalismus, andererseits aber auch um die psychischen Grundlagen für einen autoritären Charakter. Besonders interessant ist der Rückgriff auf Erich Fromm und Franz Neumann und ihr Konzept von Angst. So hat die neoliberale Umstrukturierung zu einer Zunahme der Unsicherheit beigetragen und diese kollektive Angst führt zu einer „Sehnsucht nach einer destruktiven politischen Veränderung“. Anstatt aber auf gesellschaftliche Ursachen einzugehen und ökonomische Verhältnisse gerechter zu gestalten, schaffen es rechte Bewegungen, diese Angst zu kanalisieren. Die grundlegende These ist, dass kapitalistische Ökonomie autoritäre Elemente produziert und der neoliberale Kapitalismus auf dem Weg ist, von einem autoritären Kapitalismus abgelöst zu werden. Welche Rolle die Person Donald Trump dabei spielt, ist für Christian Fuchs klar: „Trump ist eine Manifestation des autoritären Kapitalismus, der durch die direkte Herrschaft der Milliardärsklasse, Nationalismus, eine Sündenbockpolitik, das Freund/Feind-Schema, Law & Order-Politik und mediatisierte Spektakel gekennzeichnet ist.“ Um dieses Urteil konkret zu begründen, entwickelt Fuchs ein Schema, in dem er vier übergeordnete Logiken beschreibt, die rechtsautoritären Populismen zugrunde liegen: Nationalismus, Führerprinzip, Freund/Feind-Schema und Patriarchat. Mit diesen Kategorien analysiert er Trumps Twitteraccount, aber auch seine Auftritte in der Fernsehshow „The Apprentice“. Auch wenn Trump im Mittelpunkt steht, so unternimmt Fuchs immer wieder Exkurse zu Brexit, FPÖ und anderen rechten Strömungen. Auch Länder, die nicht zum dominanten Westen gehören, finden hierbei kurz Erwähnung. Diesen widmet Fuchs eher am Rand Beachtung, beispielsweise der Türkei oder Indien. Da das Buch 2018 erschienen ist, wird auf die Situation in Brasilien nicht eingegangen. Vor allem im zweiten Teil geht es dann im Detail um Trump. Fuchs zeigt mit vielen Exkursen und Beispielen, für welche Agenda Trump steht: Politik für die Milliardäre und Superreichen.

Für den/die Leser*in ist diese Lektüre ziemlich deprimierend. Viele der Punkte wurden auch in den Medien schon thematisiert, man kennt das Programm, welches der momentane US-Präsident aufsetzt. Dabei taucht in dem Buch immer wieder die Frage auf, ob Trump nun ein Faschist sei. Hier fasst Fuchs vor allem die Überlegungen verschiedener Denker*innen aus dem US-amerikanischen Raum zusammen und schlussfolgert, dass die entscheidende Frage letztlich sein wird, wie die demokratischen Institutionen die Angriffe durch rechtsautoritäre Ideen abwehren können.

Neuartig ist Fuchs‘ Analyse immer dann, wenn er den Ideen von Trump etwas entgegensetzt. Ganz grundsätzlich schreibt er: „Eine sozialistische Vision für die Gesellschaft, die den Neoliberalismus ablehnt und bekämpft, ist das beste Mittel gegen die Stärkung des rechten Autoritarismus, des autoritären Kapitalismus und des Faschismus.“ So sieht er etwa die Entwicklung der Labour Partei unter Jeremy Corbyn als Beispiel für solch eine Wende. Gelungen ist auch seine Analyse der Veränderung der Medienlandschaft. Er spricht hier von der Dialektik der Onlineaufklärung. Zwar schaffen die neuen Medien mehr Möglichkeiten, Informationen zu verbreiten, gleichzeitig bringen sie aber neue Monopole hervor, sodass sich nur wenige in der Aufmerksamkeits- und Sichtbarkeitsökonomie tatsächlich Gehör verschaffen können. Alles in allem sind die Gedanken von Fuchs nun nicht super neu, denn er greift auf die Vorarbeit vieler Denker*innen zurück, die schon vieles über die Dynamiken kapitalistischer Gesellschaften herausgefunden haben. Nun sind es aber genau diese Theoretiker*innen, deren Ideen immer mehr aus dem Lehrbetrieb herausgedrängt werden und auf die bei Analysen nur selten zurückgegriffen wird, und wenn, dann sehr verkürzt. Insofern ist auch die Ratlosigkeit der liberalen Mitte, wie es denn zu so einem Rechtsruck kommen konnte, bestenfalls naiv. Auch für die Analyse des Rollback in Lateinamerika kann dieses Buch dienen, wenngleich die Dynamiken peripherer Gesellschaften hier nicht ausreichend diskutiert werden. Durch die vielen verschiedenen Wissenschaftler*innen, die Fuchs zitiert, ist das Buch gewissermaßen auch ein Einstieg in die kritische Theorie. Die zahlreichen Exkurse, die er bei der Beschreibung seiner Theorie tätigt, sorgen dafür, dass die Thesen greifbar und verständlich werden. Insgesamt unterscheidet sich Fuchs deutlich von vielem, was zu Trump geschrieben wurde, da er es theoretisch und historisch einordnet.