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Wir sind die fucking Zukunft: Mehr Mut zu kämpfen

Hanna Poddig stellt in ihrem Buch hiesige Klimakämpfe vor
Lena Herzog

Die Debatte um den Klimawandel hat, angeregt durch Bewegungen wie „Fridays For Future“, im vergangenen Jahr massiv an medialer Aufmerksamkeit gewonnen. Vor diesem Hintergrund untersucht Hanna Poddig in ihrem Buch „Klimakämpfe. ‚Wir sind die fucking Zukunft‘“ (8. Band der Reihe „Bewegungslehre“ des Unrast Verlages) unterschiedliche Klimabewegungen in Deutschland, deren Schwerpunkte und Aktionsformen.

Der Band beginnt mit schrecklich eindrücklichen Zahlen zum Ausmaß der Klimakatastrophe und bringt diese in Verbindung mit einer Lebensweise, die für viele Leute hierzulande als selbstverständlich gilt. Ihre anschaulichen Beispiele helfen dabei, dass ihre Darstellung nicht zum medialen „Hintergrundrauschen“ (S. 5) beiträgt, vielmehr regt ihr kämpferischer Schreibstil zum Hinterfragen alltäglicher Gewohnheiten an.

Der erste Teil des Buches liefert einen Überblick über drei Lebensbereiche, die gravierende Auswirkungen auf das Klima haben: „Mobilität“, mit Fokus auf den Automobil- und Flugverkehr, „Tierbefreiung und Landwirtschaft“ sowie „Stromerzeugung“ (mit durchgängiger Kritik an dem Energiekonzern RWE). Er schließt ab mit einer kurzen Erläuterung über internationale Zusammenhänge des Klimawandels, die unter dem Begriff der „Klimagerechtigkeit“ gefasst werden.

Bevor Poddig auf die verschiedenen Klimabewegungen näher eingeht, stellt sie deren Strategien vor und unterscheidet hierbei hauptsächlich zwischen einer „Appellpolitik“ (S. 39) und revolutionären Ansätzen. Die Autorin erklärt, wie das bestehende kapitalistische Gesellschaftssystem mit seiner repräsentativen Demokratie auf Verhältnissen basiert, die Menschen und Klima ausbeuten. Aus diesem Grund hält sie es nicht für angemessen, sich mit politischen Forderungen an Repräsentant*innen dieses System zu wenden. Stattdessen ruft sie dazu auf, die aktivistischen Mittel und Methoden kritisch zu reflektieren und strategisch darüber nachzudenken, welche Maßnahmen zur Verfolgung der gesetzten Ziele sinnvoll sind (S. 42). Auch wenn sie Bewegungen, die weniger radikal sind, nicht diskreditiert, übt sie Kritik an dem sogenannten „gewaltfreien“ Protest. Sie erläutert, welche Aspekte sie an diesem diskursiv aufgeladenen Begriff für problematisch hält und inwiefern der Umgang damit Bewegungen spalten kann.

Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Klimabewegungen, beginnend bei „Fridays for Future“. Ohne deren Empörung und Ernsthaftigkeit in Frage zu stellen, drückt sie Zweifel an der Strategie und der Bereitschaft zur Kooperation mit Parteipolitiker*innen aus. Die Kritik an der aus Großbritannien stammenden Bewegung „Extinction Rebellion“ fällt hingegen härter aus und dies mit guten Argumenten. Manche Aktionen der Bewegung würden Vermarktungsstrategien gleichen, die möglichst viele Likes auf Facebook und Co. sammeln wollen. Außerdem kritisiert sie das in alle Richtungen offene, schwammige politische Profil von Extinction Rebellion. Auch „Ende Gelände“ und Klimacamps, die in der Nähe von Kohlekraftwerken stattfinden, werden von Poddig wohlwollend dargestellt, ohne Kritikpunkte, wie etwa deren homogene Zusammensetzung, auszusparen. Des Weiteren erwähnt die Autorin kleinere Bewegungen und einzelne Protestaktionen (mit beigefügtem Bekenner*innenschreiben).

Insgesamt liefert Poddigs Buch einen guten Überblick über die verschiedenen Klimabewegungen in Deutschland. Ihr gelingt es, Errungenschaften und erfolgreiche Aktionen von radikalen Aktivist*innen den Raum und die Anerkennung zu verschaffen, die ihnen zustehen. Allerdings wirken die „Exkurse“ zu verschiedenen, durchaus bedeutenden Themen zwischen den Darstellungen einzelner Bewegungen etwas verloren und unstrukturiert.

Ihr Buch ist ein Aufruf, aktiv zu werden oder es zu bleiben. Dabei macht sich deutlich bemerkbar, dass sie ausgehend von ihrer Position als radikale Vollzeitaktivistin schreibt. An sich stellt dies einen lesenswerten Beitrag dar, der gut begründet, warum es sich lohnt, im Rahmen des Klimaaktivismus Straftaten zu begehen. Doch das ist eben nicht für alle Menschen eine Option. Damit wird für mich die eingangs gestellte Frage nicht beantwortet, wie Menschen zum Handeln motiviert werden können, statt dass sie aufgrund von scheinbarer Aussichtslosigkeit resignieren. Denn für Menschen, die sich in einer anderen Lebenssituation als die Autorin befinden, hält sie wenige Handlungsmöglichkeiten bereit, um der Klimakrise wirklich etwas entgegenzusetzen.

Ich las ihr Buch daher eher als eine Darstellung für junge Einsteiger*innen und Interessierte am Klimaaktivismus, um sich einen Überblick über Klimabewegungen innerhalb von Deutschland zu verschaffen und sich mit der Frage des zivilen Ungehorsams in Protestaktionen auseinanderzusetzen.