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Angewidert zwischen Hähnen und Männern

Rezension zur Kurzgeschichte „Subasta“ der ecuadorianischen Autorin María Fernanda Ampuero
Lorena Orbach

Ihre von Hahnenkämpfen, Innereien und sexuellen Belästigungen geprägte Kindheit wird der Erzählerin schließlich das Leben retten. Die ecuadorianische Autorin María Fernanda Ampuero erzählt in der Kurzgeschichte „Subasta“, aus dem Band „Pelea de gallos“, von einer Frau, die zu einer Menschenversteigerung verschleppt wird und aus diesem Moment heraus ihre Kindheit reflektiert. Ihr Vater war „gallero“, Kampfhahnzüchter, und so wuchs sie umgeben von extrem bedrohlicher Männlichkeit auf. Um sich vor Übergriffigkeiten und Vergewaltigungen durch die Kollegen ihres Vaters zu schützen, kommen ihr die getöteten Hähne zugute. Sie schmiert sich mit Innereien und Blut voll oder legt sich abgetrennte Köpfe zwischen die Beine. So lernt sie früh, welche Gefahren mit dem Frausein einhergehen und wie sie das Begehren der Männer abwenden kann.

Am Ort der Auktion fühlt sie sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Sie beschreibt es als ,,Geruch ihres Lebens“, den Geruch nach Männern, Schweiß, Blut und billigem Likör. Und so erinnert sie sich, als sie schließlich an der Reihe ist und vor den Bietenden angepriesen werden soll, an die Hähne und daran, wie sie sich damals vor ähnlichen Gefahren geschützt hat. Wie schon zuvor legt sie auch nun alles daran, sich möglichst unattraktiv für ihre potenziellen Käufer zu machen. Sie beißt sich die Zunge ab, ,,öffnet all ihre Schließmuskeln“, fängt an laut zu kreischen und erfundene Wörter zu schreien. Ihr Plan geht auf. Niemand möchte auch nur den kleinsten Betrag für sie zahlen, und sie wird schließlich an einer abgelegenen Straße ausgesetzt.

In jedem Moment der Erzählung, sei es die Kindheit an den Plätzen der Hahnenkämpfe oder das Warten am Ort der Auktion, schafft es die Autorin, ein Gefühl des Ekels und Unbehagens bei den Lesenden auszulösen. Dabei spielen zwar sicherlich auch die Innereien und Ausscheidungen eine Rolle, die ein immer wieder auftretendes Bild sind, mehr ist es aber das Verhalten der männlichen Charaktere. Im Gedächtnis bleibt der Vater, der in ihrer Kindheit ihre Erfahrungen und Ängste herunterspielt, indem er sie ,,mujercita“ nennt, oder der Moderator der Auktion, der eine Person nach der anderen vor seinem Publikum anpreist, um den höchsten Gewinn zu erzielen. Besonders unangenehm wird es, als die einzige andere Frau an der Reihe ist und von ihm ausgezogen und angefasst wird. Er sagt Dinge wie ,,Hier machen Sie sie schön sauber und dann ist das eine Köstlichkeit, unsere Freundin Nancy.“

María Fernanda Ampuero kreiert mit ,,Subasta“ eine Erzählung, die, auch wenn sie auf den ersten Blick weit weg von den uns bekannten Lebensrealitäten zu sein scheint, trotzdem Möglichkeiten zur Identifikation bietet. Denn sich schützen, indem man sich für den männlichen Blick unattraktiv macht, begleitet viele Frauen in ihrem Alltag. Es gelingt der Autorin, diese Überlebensstrategie sichtbar und begreifbar zu machen. Leider wurde die Geschichte (noch) nicht auf Deutsch übersetzt, doch für alle, die Spanisch sprechen, ist es „Subasta“ definitiv wert, sich dem Ekel auszusetzen und in das Leben der Erzählerin einzutauchen. Für alle anderen konnte hoffentlich die Essenz der Kurzgeschichte rübergebracht werden, denn die Erzählungen María Fernanda Ampueros sind eine Wucht.