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Geld stinkt nicht

Das Buch „Peru Guano Hamburg“
Gert Eisenbürger

Die Geschichte des Extraktivismus in Peru, also der Ausbeutung natürlicher Ressourcen ohne Rücksicht auf Menschen und Umwelt, ist eng mit dem Kolonialismus und Neokolonialismus verbunden. Weithin bekannt ist die Gier der spanischen Eroberer nach Gold und anderen Edelmetallen, für deren Förderung die indigene Bevölkerung und in Afrika gekidnappte Menschen zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Eine andere Boomphase des Extraktivismus ist dagegen hierzulande kaum im Bewusstsein, obwohl deutsche, konkret Hamburger Unternehmen dabei eine Schlüsselrolle spielten: der Abbau und die internationale Vermarktung von Vogelkacke, bekannt unter dem Namen Guano.

Den Blick auf diese Periode neokolonialer Beziehungen zu eröffnen ist Ziel des dieses Jahr erschienenen Buches „Peru Guano Hamburg“. Die Autorin Lucia Charún-Illescas, die Ethnologin Claudia Chávez de Lederbogen und der Fotograf Jan Lederbogen beschreiben darin die Geschichte und Akteure des Guanobooms, der von den 1840er-Jahren bis etwa 1880 währte.

Die vor Perus Hauptstadt gelegenen Chincha-Inseln dienen wegen des Fischreichtums des sie umgebenden Meeres Seevögeln als Brutstätte. Während der Brutzeit hinterließen die Vögel über Jahrhunderte dort ihre Exkremente. Diese hatten sich Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer 30 Meter dicken Schicht aufgetürmt. Zwar hatten bereits die Inkas den Vogelkot als Dünger verwendet, aber mit der spanischen Eroberung und der weitgehenden Zerstörung der vorkolonialen Agrarstruktur war das weitgehend in Vergessenheit geraten.

Das änderte sich mit der Industrialisierung in Europa. Die benötigte viele in den Fabriken konzentrierte Arbeitskräfte, die ernährt werden mussten. Die bis dahin praktizierte Ackerwirtschaft war dazu nicht in der Lage. Der deutsche Chemiker Justus von Liebig entdeckte um 1840, dass durch Düngung mit Kalium-, Phosphat- und Stickstoffsalzen deutlich höhere landwirtschaftliche Erträge erzielt werden konnten. Genau diese Bestandteile enthielt der Vogelkot, der die Chincha-Inseln bedeckte. Dadurch gerieten die Eilande ins Visier internationaler Unternehmen. Die Regierung des 1821 unabhängig gewordenen peruanischen Staates vergab Lizenzen für den Guanoabbau. Einige alteingesessene, aber auch neu entstehende Hamburger Handelshäuser wie die Familien Mutzenbecher und Ohlendorff kontrollierten bald die internationale Vermarktung des Guano. Andere Kaufleute wie Heinrich Witt oder Ferdinand Laeisz waren als Konsuln der Republik Peru Verbindungsleute zwischen der peruanischen Regierung und den Hamburger Unternehmen.

Der vollständig manuelle Abbau des Guanos mit Hacken und Schaufel war nicht nur extrem schwer, sondern auch gesundheitsschädlich. Der Kotstaub konnte Lungenerkrankungen und Blutvergiftungen hervorrufen, was auch ein Problem für die Seeleute auf den Guano-Schiffen war. Die im Abbau tätigen Arbeiter wurden extrem schlecht bezahlt, die Arbeitsbedingungen waren miserabel. (Warum überrascht mich das nicht?) Weil sich in Peru nicht genügend Leute fanden, die diesen Job machen wollten, wurden in großem Stil sogenannte Vertragsarbeiter aus China eingeführt, die über mehrere Jahre ihre Überfahrt abbezahlen mussten (was von ihrem Minimallohn einbehalten wurde), während sie nur im Guanoabbau arbeiten durften, also faktisch Zwangsarbeiter waren.

In Peru wurden mit den Einnahmen aus den Lizenzen der Staatshaushalt und im begrenzten Umfang auch soziale Reformen finanziert. Präsident Ramón Castilla schaffte etwa 1854 den Tribut ab, den die Indigenen seit der Kolonialzeit an die spanische Krone und später an den peruanischen Staat abführen mussten. Er beendete auch die Sklaverei der Afroperuaner*innen und entschädigte aus den Guanoerlösen die ehemaligen Sklavenhalter (nicht etwa die Sklav*innen).

Gegen Ende der 1870er-Jahre war die Guanoschicht auf den Chincha-Inseln komplett abgetragen. Die chemische Industrie in Europa hatte inzwischen Alternativen für die Düngerherstellung entwickelt, bei denen Salpeter eine zentrale Rolle spielte. Die Vorkommen und Ausbeutung dieses Rohstoffes sicherte sie sich mit ihrem Engagement im sogenannten Salpeterkrieg (1879-84), der damit endete, dass Chile die salpeterreichen Regionen Perus und Boliviens annektierte und zum wichtigsten Handelspartner Hamburger Kaufleute in Südamerika wurde.

Das zweisprachige Buch „Peru Guano Hamburg“ bietet in knappen, sehr gut lesbaren Texten einen Einblick in dieses Stück deutscher (Neo-)Kolonialgeschichte in Peru. Es ist sehr schön illustriert und bietet neben seinen Texten und Bildern auch Links zu kurzen Filmen, die weitere Hintergründe liefern und über Barcodes direkt aufgerufen werden können. Dadurch eignet es sich auch sehr gut für den Einsatz in der schulischen und Erwachsenenbildung.